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Wir brauchen einen Aufbruch wie in den Neunzigern

Harald G. Huth ist Geschäftsführer der High Gain House Investments GmbH (HGHI) aus Berlin. Sein erstes bekanntes Projekt ist die Modernisierung der Gropius Passagen, es folgten das Shopping-Center Das Schloss in Steglitz, das Schultheiss Quartier in Moabit, die Fußgängerzone Gorkistraße/Tegel Quartier und der HGHI-Tower in Tiergarten. Sein größtes und bekanntestes Projekt ist die Mall of Berlin am Leipziger Platz in Mitte, dessen Fertigstellung sich im September 2024 zum zehnten Mal jährt.
Berliner Wirtschaft: Wenn Sie auf zehn Jahre Mall of Berlin zurückblicken, wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Entwicklung?
Harald G. Huth: Ich bin sehr zufrieden. Es ist uns gelungen, im Herzen der Stadt einen zentralen Einkaufsstandort zu etablieren. Wir sind sehr gut durch die Corona-Krise gekommen, und ich freue mich, dass der Einzelhandel zurückkommt. Wir stellen fest, dass wir 2023/24 die Frequenz- und größtenteils auch die Umsatzzahlen in der Mall von 2019 übertroffen haben. Mich stimmt auch positiv, dass die Berlinerinnen und Berliner die Mall nach zehn Jahren angenommen haben. Wir waren zunächst eher touristisch ausgerichtet, nun hat sich unser Quartier gewandelt. In der Corona-Krise haben die Berliner mitbekommen, dass wir geöffnet hatten und es viel Platz zum Laufen gibt. Dadurch haben sie die Mall wahrgenommen und sind uns treu geblieben.
Sie sind ein starker Verfechter des stationären Einzelhandels. Die Branche erlebt nicht erst seit gestern eine Krise. Was macht Sie optimistisch?
Wir müssen natürlich anerkennen, dass der Onlinehandel, also die Idee, den Otto-Katalog ins Internet zu bringen, viel Investorengeld angezogen hat. Das hat für reichlich Wirbel in der Branche gesorgt. Die deutschen Konsumenten sind ja sehr preissensitiv, viele nutzen die Möglichkeit zur kostenlosen Rücksendung von online bestellten Waren. Mittlerweile denken viele Händler wegen der hohen Kosten von Retouren um. Sie bieten verstärkt an, die Ware im Laden abzuholen oder umzutauschen. Damit holen sie Kundschaft in die Geschäfte. Es ist aus Sicht der Nachhaltigkeit auch nicht einsehbar, dass viele zurückgesandte Waren nicht wiederverwendet, sondern weggeschmissen werden. Es muss sich also einerseits auf Seite der Kunden etwas ändern, andererseits sind auch politische Maßnahmen nötig, etwa ein Verbot der Vernichtung von Retouren. Die stationären Läden müssen gestärkt werden, schließlich wollen alle lebendige Innenstädte, mehr soziales Miteinander, kulturellen Austausch.
Ist es in den Jahren seit der Eröffnung der Mall für Sie schwieriger geworden, Mieter zu ­finden? Und wie sehr wirkt die Corona-Pandemie noch nach?
Das Sterben der stationären Geschäfte hat noch vor Corona begonnen, eben wegen des steigenden Onlinehandels. Die Pandemie hat das Ganze noch beschleunigt. Die Retailer sehen jetzt ein, dass das Ziel sein muss, den Kunden rund um die Uhr den Einkauf zu ermöglichen, aber dass im Laden abgeholt wird. Die Corona-Krise wirkt nach, da zum Teil viel Eigenkapital verbrannt wurde. Der stationäre Handel braucht noch ein paar Jahre, um sich zu erholen. In der Mall sehen wir mittlerweile eine stärkere Nachfrage.
Das Quartier am Leipziger Platz ist umgeben von Baustellen, demnächst kommt vielleicht der Neubau der Straßenbahn über die Leipziger Straße. Wie sehr macht das Ihnen zu schaffen?
Wir sind da nicht so sensibel. Wir wissen, dass die Lage in der Innenstadt manchmal auch Staus und Sperrungen nach sich zieht. Der Standort ist zum Glück sehr gut erschlossen, und wir hoffen, dass wenn die Straßenbahn gebaut wird, die U-Bahn weiter durchfährt. Wichtig wäre, dass es da schneller geht als in der Turmstraße(das Schultheiss Quartier an Ecke Turmstraße/Stromstraße ist auch ein Projekt der HGHI – Anm. d. Redaktion). Da hat die Sperrung lange gedauert, das verstehen die Bürger zum Teil nicht. Ich würde mir von der Politik wünschen, dass solche Maßnahmen schneller bewerkstelligt werden, fraglich ist jedoch, ob das möglich ist.
Ihr Unternehmen, die HGHI, ist mit seinen ­Projekten in Berlin sehr präsent. Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklungen in der Stadt im Hinblick auf Städtebau und Infrastruktur?
Ich nehme den Regierenden Bürgermeister extrem positiv war, da bin ich tatsächlich positiv überrascht. Wünschenswert wäre, dass auch die Bezirke und Verwaltungen schneller würden. Dafür müsste einiges an Entbürokratisierung passieren. Besonders bei Bebauungsplänen wird zu viel Zeit beansprucht, da sehe ich noch einige Stellschrauben. Wir brauchen mehr Wohnungsangebote, vor allem günstige. Wir stehen als Berlin im europäischen Wettbewerb, werben um Zuzug aus der ganzen Welt. Günstige Wohnungen waren mal ein Standortvorteil von Berlin, jetzt gibt es da großen Nachholbedarf. Ich würde mir auch wünschen, dass man in den Verwaltungen mutiger ist, mal gegen die Anwohnerinnen und Anwohner entscheidet, um Bebauungspläne zügiger umzusetzen. Viele sehen Veränderungen kritisch, haben diese Haltung: Bitte nicht bei uns bauen.
Was müsste sich an ­Rahmenbedingungen ändern, damit die HGHI stärker in den ­Wohnungsneubau in Berlin investiert?
Nicht nur im Senat, sondern auch in den Bezirken muss mehr umgesetzt werden. Wir brauchen einen Aufbruch wie in den Neunzigern. In den Bezirken, den Ämtern, gibt es zu wenig Personal. Früher konnte man beim Stadtplanungsamt einfach vorbeigehen, heute bieten die Verwaltungen nicht mehr persönliche Sprechstunden an, alles läuft über eine Hotline. Die Digitalisierung wäre sicherlich hilfreich, wobei es beim Bauen schwierig wäre, denn man braucht immer noch große ausgedruckte Pläne, am Bildschirm geht das nur sehr eingeschränkt. Natürlich könnte man die Terminbeschaffung, Anträge und Akten digitalisieren. Ich möchte aber auch kein Behörden-Bashing betreiben, ich habe eher Mitleid mit den Ämtern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehme ich alle als sehr bemüht wahr, es wurden aber zu viele Stellen abgebaut. Jetzt müssen sie bei weniger Personal mit mehr Anforderungen klarkommen. Es müsste hier ein Umdenken stattfinden, denn der aktuelle Zustand kostet uns Entwicklungsmöglichkeiten. Der Senat könnte mehr an sich ziehen, hat aber selbst gar nicht das Personal. Wünschenswert wäre, mehr Aufgaben an Externe zu vergeben, etwa Planungsbüros. Ich bezweifle aber, dass dies politisch gewollt ist.
von Dr. Mateusz Hartwich