Auf den Punkt

Europa hat Relevanz - besonders für Berliner Unternehmen

Warum wir am 9. Juni unser Recht nutzen und an der Wahl zum Europaparlament teilnehmen sollten.
Meinung
In der Kolumne „Auf den Punkt“ ­positionieren sich im ­monatlichen Wechsel Mitglieder des ­Präsidiums zu wirtschaftspolitischen ­Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht.
Die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2024 beschäftigt uns schon seit Jahren. Es geht um die Eignung der Kandidaten, deren geistige Fitness, die Auswirkungen der Wahl auf die NATO und die Ukraine – die Themen sind vielfältig und omnipräsent. Dagegen scheint die am 9. Juni stattfindende Europawahl fast niemanden zu interessieren. Klar ist aber: völlig zu Unrecht, denn die EU spielt eine wesentliche Rolle in unserem täglichen Leben.
Dank der EU können wir in 27 Ländern ohne Passkontrollen reisen und Waren und Dienstleistungen ohne Zollbeschränkungen austauschen. Gleichzeitig erlaubt sie Arbeitskräften, in jedem EU-Mitgliedsstaat zu arbeiten. Für Berliner Unternehmen bedeutet dies einen Zugang zu europäischen Märkten sowie politische Stabilität – Faktoren, die essenziell für ihr Geschäft sind. Viele Unternehmen beklagen jedoch eine nachlassende Attraktivität der EU in den letzten Jahren und sehen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft in Gefahr. Wie können wir diesem Trend entgegenwirken?
Die IHKs haben Hemmnisse für den Wirtschaftsstandort analysiert und Handlungsempfehlungen abgeleitet. An erster Stelle steht der Abbau von Bürokratie – eine Forderung, die von 90 Prozent der Berliner Unternehmen unterstützt wird. Die „One in, one out“-Regel, bei der für jede neue Verordnung eine vorhandene gestrichen werden muss, sowie Erleichterungen für KMU müssen daher konsequent umgesetzt werden.
Entscheidend ist zudem die sichere und bezahlbare Energieversorgung. Hohe Energiepreise belasten rund 80 Prozent der Berliner Unternehmen. Um internationale Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, brauchen wir einen starken Energiebinnenmarkt und den Ausbau erneuerbarer Energien. Auch digitale Innovationen sind essenziell. Berlin ist ein Zentrum für KI-Start-ups, doch Europa hinkt in diesem Bereich hinterher. Es braucht europäische Rahmenbedingungen, die Innovationen unterstützen und „made in Europe“ stärken.
Nicht zuletzt spielt die Attraktivität Europas auch für die Fachkräftesicherung im internationalen Wettbewerb eine entscheidende Rolle. Bis 2035 werden allein in Berlin über 400.000 Fachkräfte fehlen. Die EU muss ihre Aktivitäten verstärken und die Arbeitsmigration aus Drittstaaten sowie die Integration von Geflüchteten fördern.
Diese Beispiele zeigen: Europa ist nicht abstrakt, sondern beeinflusst unseren unternehmerischen Alltag ganz konkret. Das neu zu wählende EU-Parlament wird das Leben von 450 Millionen Menschen prägen – und damit auch das Leben von fast vier Millionen Berlinerinnen und Berlinern sowie aller Unternehmen der Hauptstadt. Nutzen wir also unser Wahlrecht am 9. Juni, denn Europa-Politik ist Berlin-Politik.
Sebastian Stietzel ist Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments sowie Präsident der IHK Berlin.