Auf den Punkt

Standortfaktor Werkswohnungen

Länder und Städte konkurrieren wie nie zuvor um Talente – auch deswegen braucht Berlin dringend Lösungen für die Schaffung von Wohnraum.
Meinung
In der Kolumne „Auf den Punkt“ ­positionieren sich im ­monatlichen Wechsel Mitglieder des ­Präsidiums zu wirtschaftspolitischen ­Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht.
Unsere dynamische und kreative Metropole zieht nicht nur Touristen und Kulturliebhaber an, sondern auch qualifizierte Fachkräfte aus Deutschland und aller Welt. Berlin will sich dabei bewusst als Hauptstadt von Wissenschaft und Forschung, als Brain City, etablieren. Und tatsächlich: Auch dank des Einsatzes von Berlin Partner, unserer Standortförderung, gelingt diese Positionierung vielfach mit ansehnlichem Erfolg.
Allerdings muss Berlin dabei auch gegenüber zukünftigen Arbeitnehmern halten, was es verspricht. Und bei den „vier Wänden“ fängt es an. Wohnen muss schließlich jede und jeder. Hier sehe ich einen Schatten über der Stadt: die zunehmend kritische Situation auf dem Wohnungsmarkt. Mein Punkt lautet, dass wir die Bedeutung von Wohnimmobilien als entscheidenden Standortfaktor für die Anziehung und Bindung qualifizierter Arbeitnehmer nicht unterschätzen dürfen. Mehr noch: Der ­Mangel an bezahlbarem Wohnraum stellt nicht nur eine für viele spürbare Belastung für das Portemonnaie dar, sondern gefährdet in Teilen schon heute die Attraktivität der Stadt für hoch ­qualifizierte Arbeitnehmer.
In einer globalisierten Welt, in der Länder und Städte wie nie zuvor um Talente konkurrieren, wird die Verfügbarkeit von attraktivem wie bezahlbarem Wohnraum zu einem zentralen Entscheidungskriterium für Fachkräfte, die ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin verlagern möchten. Dabei ist gerade Berlin auch aufgrund seiner Wachstumsentwicklung in besonderem Maße auf Fachkräfte angewiesen – nicht nur in hoch spezialisierten Wissensbereichen, aber eben auch da.
Doch welche Handlungsoptionen bestehen? Ich nenne einige: zunächst der konsequente Neu- und Ausbau von weiterem Wohnraum in der Stadt und in gut angebundener Stadtnähe, Maßnahmen zur Erhöhung von Transparenz auf dem Mietmarkt, die gezielte Förderung von Wohneigentum in der Metropolregion und Zusammenarbeit mit der Berliner Wirtschaft. So könnte beispielsweise eine Renaissance des jahrzehntealten Modells der Werkswohnung besonders hilfreich sein und auch für Unternehmen attraktiv: Denn durch das unmittelbare Angebot wird dringend gesuchten Fachkräften der Zuzug erleichtert, weil die zeitaufwendige Wohnungssuche entfällt und umgehend eine weitere besondere Bindung zum Arbeitgeber entsteht. Werkswohnungen dürften im gegenwärtigen Umfeld somit einen klar positiven Effekt auf die Arbeitgeberattraktivität haben. Auch deswegen denken wir als Berliner Volksbank und Arbeitgeber für rund 1.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darüber nach. Haben Sie bereits Erfahrungswerte gesammelt? Dann schreiben Sie mir.
Von Carsten Jung
Vorstandsvorsitzender der Berliner Volksbank eG und Mitglied im Präsidium der IHK Berlin.