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Passt der Influencer als Investor zum Start-up?
Serial Entrepreneur Alvaro Gellings hat etliche Unternehmen mit Creatorn aufgebaut und weiß, was bei der Zusammenarbeit zu beachten ist.
Influencer und Influencerinnen können mit ihrer Social-Media-Präsenz den Erfolg von Geschäftsmodellen beflügeln.
© Getty Images/Designer
Die Creator Economy gehört zu den am schnellsten wachsenden Industrien weltweit. Längst hat sich rund um YouTuber, Influencer und Gamer eine ganz eigene Business-Welt gebildet, die, laut „Forbes“, bereits Mitte 2022 den Wert von 100 Mrd. US-Dollar überschritten hat. Indem Creator von vielen Menschen ihrer Community als eine Art Bezugsperson wahrgenommen werden, sind sie zu einem enorm einflussreichen Marketingkanal geworden. Nicht umsonst erhalten Influencer-Stars wie Kylie Jenner teilweise mehr als eine Million Euro für nur einen einzigen Anzeigen-Post.
Creator als Investoren
Zu den aktuelleren Entwicklungen der Branche gehört, dass viele Creator nicht mehr nur mit Werbung ihr Geld verdienen, sondern sich zunehmend direkt an Unternehmen beteiligen, als Investoren oder auch als Gründer. Alvaro Gellings sagt, davon könnten Start-ups enorm profitieren. Er hat selbst schon einige Unternehmen, darunter Spielefirmen, Social-Media-Netzwerke und Modemarken, gegründet und ist als Business Angel aktiv. Dafür arbeitet er immer wieder mit Creatorn zusammen. Zuletzt hat er unter anderem das Geschäftsmodell von Lanch mit aufgebaut. Das umfasst den Aufbau verschiedener Creator-Marken. Es startete mit Happy Slice, einer Liefer-Pizza, die von den YouTubern Knossi und Trymacs vermarktet wird.
Effektiver Marketingkanal
Gellings glaubt, dass eine gelungene Zusammenarbeit mit Creatorn für Start-ups vor allem langfristig positive Effekte haben kann – beispielsweise dann, wenn ein Creator am Unternehmen beteiligt wird. „Gerade in der Aufbauphase eines Unternehmens ist Marketing oft der teuerste Faktor“, sagt Gellings. Indem ein Creator am Unternehmen beteiligt werde, bekomme man einen effektiven Marketingkanal. Das lohne sich besonders für Business-to-Consumer-Start-ups mit haptischen oder digitalen Produkten, die einfach erklärt sind.
Verschiedene Studien – darunter eine aktuelle Befragung des Software-Vermittlers Get App – zeigen, dass Nutzer sich bei Kaufentscheidungen von Influencern beeinflussen lassen. Demnach gaben in der Befragung von Get App 61 Prozent an, mit größerer Wahrscheinlichkeit Produkte einer Marke zu kaufen, mit der ein Influencer zusammenarbeitet. Der Social-Media-Atlas 2022 der Hamburger Kommunikationsberatung Faktenkontor, die jährlich Internet-Nutzer ab 16 Jahren repräsentativ befragt, zeigte zudem, dass rund 24 Prozent der Online-User Produkte oder Dienstleistungen gekauft haben, weil diese von Influencern auf YouTube empfohlen worden waren.
Ein Grund dafür ist laut Psychologen der sogenannte Mere-Exposure-Effekt, den sich Werbung seit jeher zunutze macht. So wird in der Psychologie die Erkenntnis bezeichnet, dass Dinge, die häufig zu sehen sind, positiv bewertet werden. „Sehen wir Influencer also häufig das gleiche Produkt anpreisen, glauben wir automatisch an die Qualität der Marke“, so Gellings.
Zusammenarbeit ist nicht risikofrei
Auch deshalb sollten sich Start-ups genau überlegen, mit wem sie zusammenarbeiten, sagt Gellings. Zu den größten Risiken gehört, dass ein Creator nicht „brandsafe“ sei – also der Marke schaden könnte. Im Gegensatz zu den bisherigen Modellen, bei denen Creator Werbung gegen Geld tauschten, beuge dem das Beteiligungsmodell zwar in gewisser Weise vor, sei aber noch lange keine Garantie. „Es gibt immer Charaktere, die sehr stark polarisieren“, sagt Gellings. „Wenn denen was nicht passt, werden sie das öffentlich sagen – völlig egal, ob sie dem Unternehmen und damit auch sich selbst schaden.“
Obligatorisch sei, dass der jeweilige Creator zur Marke passen muss, um sie angemessen zu repräsentieren. Darüber hinaus ist es auch wichtig, dass Creator und Gründer „unternehmerisch und zwischenmenschlich“ zusammenpassen, sagt Gellings. Gründer sollten bedenken, dass Creator oft keine unternehmerischen Erfahrungen und teilweise eigene Vorstellungen davon haben, wie ein Produkt aussehen soll.
Einstiegsargument für andere Investoren
Für Start-ups gibt es verschiedene Möglichkeiten, Creator in ihr Unternehmen einzubeziehen. Steigt ein Creator als Investor ein, könne das vor allem in frühen Phasen einen nötigen Anstoß bringen, sagt Gellings. „Die allermeisten Start-ups sind bootstrapped, also ohne Investorenkapital finanziert. Gewinnt man dann einen Creator als Investor, bringt das nicht nur Aufmerksamkeit von möglichen Kunden, sondern auch aus der Szene und kann ein Einstiegsargument für andere Investoren sein“, sagt Gellings. Im Gegensatz zu klassischen Business Angels bringen Creator meistens keine Vorerfahrung im Start-up-Bereich mit und können Gründer beispielsweise nicht mit VCs oder anderen relevanten Akteuren vernetzen. Das mache die Unternehmung oft schwierig. „Du hast keine fünf Jahre Zeit, um alle Kinderkrankheiten auszumerzen, das muss direkt funktionieren“, sagt Gellings.
Creator Brand vs. einfache Beteiligung
Je nach Bewertung des Start-ups könnten Gründer dafür mit Creatorn verschiedene Modelle aushandeln. „Es gibt einfache Deals, in denen Creator Anteile gegen Media-Leistungen bekommen, und Hybrid-Modelle, in denen Creator zusätzlich noch investieren“, sagt Gellings. Ein anderes Modell sieht vor, den Creator in den Mittelpunkt der Marke zu stellen. Sogenannte Creator Brands sind oft sehr schnell erfolgreich. Der YouTuber MrBeast aus den USA gilt hier als Vorreiter, aber auch viele deutsche Influencer haben mittlerweile erfolgreiche Marken gelauncht – darunter Pamela Reif, Carmushka (Carmen Kroll), Elias Nerlich oder Lena Gercke.
von Kim Torster