Fokus
„Das Wichtigste ist für mich die Motivation“
Auriella Haßhoff ist Head of Human Resources einer Berliner Tochtergesellschaft der GEA Group. Der Fachkräftemangel bestimmt heute ihren Job maßgeblich.
Vor ihrer GEAZeit war Auriella Haßhoff Standortpersonalleiterin bei Jacobs Douwe Egberts und Bombardier Transportation
© Amin Akhtar
Die GEA Group ist mit ihrer Division GEA Heating & Refrigeration Technologies (HRT) in der Holzhauser Straße in Borsigwalde ansässig. GEA HRT ist im Bereich der Wärme- und Kältetechnologie tätig. Personalchefin Auriella Haßhoff sorgt dafür, dass im Unternehmen immer genug und ausreichend qualifizierte Beschäftigte vorhanden sind. Dafür spricht sie von Schülern aus der Nachbarschaft bis zu versierten Fachkräften aus dem Ausland alle denkbaren Zielgruppen an.
Berliner Wirtschaft: Sie kümmern sich als Personalchefin um den gesamten Lebenszyklus eines Arbeitnehmenden. Was würden Sie in diesen Zeiten als Ihre wichtigste Aufgabe bezeichnen?
Auriella Haßhoff: Es geht derzeit vor allem darum, den Spagat zu finden zwischen Neueinstellungen auf der einen Seite – also auch die Attraktivität als Arbeitgeber sichtbar zu machen – und der Bindung der Mitarbeitenden, die schon da sind, auf der anderen Seite. Employer Branding ist ein ganz zentrales Thema für uns, weil wir ja nicht als Konsummarke beim Endverbraucher bekannt sind.
Sie sind bei der Tochter eines großen Konzerns tätig. Profitieren Sie davon in der Personalarbeit?
Oh ja, wir können beispielsweise Weiterbildungsangebote nutzen, die konzernweit angeboten werden – Compliance-Trainings zum Beispiel, aber auch Schulungen für Führungskräfte. Das ist ein großer Vorteil. Darum muss sich nicht jede einzelne HR-Abteilung der Tochtergesellschaften kümmern.
Also ist das große Thema, das über allem schwebt, der Fachkräftemangel. Welche Rolle spielt bei Ihnen – als Technologieunternehmen – Weiterbildung und Up-Skilling, um vakante Qualifikationen aus den Reihen zu besetzen?
Das ist für mich persönlich ein ganz wichtiges Thema. Es gewinnt zunehmend an Bedeutung, weil wir jetzt doch feststellen, dass es schwieriger wird, wirklich gute Azubis zu bekommen. Wir sind außerdem in einer Nische tätig. Es gibt auf dem Arbeitsmarkt nicht viele Fachkräfte, die schon mit dem Kälte- und Wärmeanlagenbau zu tun hatten.
Sie brauchen also Spezialisten für diese Nische?
Wir bauen keine Anlagen für Einfamilienhäuser, sondern für die Industrie. Der Umgang mit natürlichen Kältemitteln wie Ammoniak im industriellen Maßstab muss sehr gründlich gelernt werden. Wir haben außerdem kein Standardprodukt, sondern liefern Einzelanfertigungen. Fachkräfte mit Erfahrungen in diesen Felden zu finden, ist schwer. Das Know-how im Schweißen dieser Anlagen ist beispielsweise nicht so verbreitet. Ich denke, dass wir deshalb künftig verstärkt unter den Kolleginnen und Kollegen, die schon da sind, nach Talenten suchen werden, die wir ausbauen können. Oder wir können deren Netzwerke und Kontakte nutzen.
Welche Qualifikation ist für Sie am schwierigsten zu besetzen?
Am schwierigsten ist es ganz eindeutig, Servicemonteure zu finden, also Menschen, die zum Kunden fahren und dort die Anlagen aufbauen oder instandsetzen.
Warum ist das so schwer, aufgrund der Reisetätigkeit?
Ja, und weil Servicemonteure absolute Experten sein sollten. Sie müssen vor Ort beim Kunden alle Herausforderungen bestehen und alle Anlagen im Detail kennen. Deshalb sind wir dabei, ein Onboarding-Programm zu entwickeln. Wir definieren, welche Kenntnisse da sein müssen und wie wir sie schulen können. Außerdem prüfen wir, wie wir den Job des Servicemonteurs in den Lebenszyklus der Mitarbeitenden bei uns einbauen können. Junge, gut ausgebildete Kräfte könnten zum Beispiel für einige Zeit im Service arbeiten und sich später, wenn sie sesshaft werden wollen, weiterbilden für Tätigkeiten im Werk.
Gelingt es Ihnen denn gegenwärtig noch, alle Stellen für Auszubildende zu besetzen?
Im Jahr 2023 hat es gut funktioniert, besser als im Jahr davor. Wir haben sehr viel Werbung gemacht, waren auf Messen, haben Videos produziert, waren auf Social Media unterwegs. Insofern sind wir sehr glücklich, dass wir fast alle Ausbildungsplätze besetzen konnten.
Worauf achten Sie bei der Einstellung von Azubis besonders?
Das Wichtigste ist für mich die Motivation. Wer einen Beruf erlernen möchte, sollte Spaß daran haben, Neues kennenzulernen, und mit ganzem Herzen dabei sein. Azubis müssen wissen, dass sie ausgezeichnete Chancen in ihrem Berufsbild wie auch bei uns bei GEA haben.
Setzen Sie bei Ihrer Personalarbeit ab dem Recruiting von Azubis an oder schon früher?
Wir versuchen, so früh wie möglich anzusetzen. Bei jungen Menschen, die schon im Kindesalter zum Beispiel durch ihre Eltern oder im Rahmen von Unternehmensbesuchen oder Praktika mit uns in Berührung kommen, ist die Wahrscheinlichkeit noch größer, dass sie sich für eine Ausbildung oder ein duales Studium bei uns interessieren. Ich schreibe deshalb auch Grundschulen in der näheren Umgebung an und biete Betriebsbesichtigungen an. Wir wollen Kooperationen aufbauen. Wir laden auch zum Girl’s Day und zum Boy’s Day ein.
Ein Schweißer im Berliner GEA-Werk: Die Fähigkeiten der Fachkräfte sind für das Unternehmen ein wichtiger Erfolgsfaktor
© Amin Akhtar
Wie kommt das bei den Schülern an?
Gemischt. Sie sind immer dankbar, wenn sie Praktikumsplätze empfohlen bekommen. Ich frage oft: Was für ein Praktikum möchtest du machen? Sie wissen es nicht. Es gibt so viele Berufe, dass die Orientierung schwerfällt. Schüler haben keine Vorstellung davon, was jemand in der Buchhaltung macht oder in der Personalabteilung. Wir wollen künftig, dass die Schülerinnen und Schüler in dreiwöchigen Praktika drei unterschiedliche Bereiche kennenlernen. Das kann im Büro oder auch im Werk sein.
Was halten Sie von lebenslangem Lernen?
Das ist mir ganz wichtig. Deshalb haben Gespräche mit Mitarbeitenden für mich eine große Bedeutung, weil man darin die diesbezüglichen gegenseitigen Erwartungshaltungen abklopfen kann. Ich versuche immer, Impulse zu geben: Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt? Welche neuen Lehrmethoden gibt es? Ich gebe das auch an die Führungskräfte weiter. Wir organisieren das aber lieber innerhalb unseres Arbeitsalltags. Wenn externe Trainings besucht werden, dann ist es wichtig, sicherzustellen, dass das Gelernte danach in die tägliche Arbeit einfließt.
Onboarding wird immer ernster genommen, um Mitarbeitende, die mühsam rekrutiert wurden, nicht gleich wieder zu verlieren. Worauf setzen Sie dabei die Akzente?
Für wichtig halte ich, dass die neuen Leute sehr schnell in Netzwerke im Unternehmen integriert werden. Essenziell dafür, ob Mitarbeitende bleiben oder nicht, ist, dass sie sehr schnell abteilungsübergreifend arbeiten können. Selbstverständlich informieren wir in der Einarbeitung über unsere Produkte und unser Geschäft. Aber wir organisieren auch das Kennenlernen von Personen aus anderen Abteilungen – natürlich mithilfe der Führungskräfte.
Mit welchem Kanal erzielen Sie im Recruiting die besten Erfolge?
Das kann ich pauschal nicht sagen, da muss ich je nach Berufsgruppe unterscheiden. Wichtig ist zunächst, wie wir die Ausschreibung formulieren. Ich muss den Führungskräften immer wieder erklären, dass der Anforderungskatalog nicht zu üppig formuliert werden darf. Sonst bewirbt sich keiner. Den Schwerpunkt müssen die Vorteile bilden, die Mitarbeitende mit einer Anstellung bei uns erhalten. Das, was ich mir als Anforderung in einer Stellenausschreibung wünsche, sollte nur noch drei bis fünf Bulletpoints beinhalten.
Welche Rolle spielt das Einkommen?
Früher haben sich die Leute in Scharen in Konzernen beworben, weil sie dort Tariflöhne erhalten. Das ist nicht mehr so. Für Bürojobs im Engineering und in der IT erhalten wir derzeit 50 Prozent aller Bewerbungen aus Übersee.
Sprechen die Bewerber denn Deutsch, oder lernen sie schnell?
Wenn sie das wirklich wollen, legen sie sofort los. Manche belegen auch schon vorab Kurse. Für uns ist es trotzdem eine Herausforderung. Wenn ich jemand in der Konstruktion einstelle, muss er auch in die Fertigung gehen und sich mit den Fachkräften dort unterhalten. Wenn die Kommunikation nicht einwandfrei funktioniert, wird das sehr schwer.
Und die Ansprache der Zielgruppen erfolgt über Social Media?
Auch. Mundpropaganda ist sehr wichtig. Wir honorieren es, wenn unsere Mitarbeitenden uns neue Kolleginnen und Kollegen vermitteln. Das sind sehr oft Menschen, die hervorragend in unsere Unternehmenskultur passen. Wir haben aber auch schon Servicemonteure über Print-Anzeigenkampagnen gefunden.
Wie schätzen Sie die junge Generation ein, die jetzt in den Arbeitsmarkt eintritt?
Für sie steht oftmals der Spaß im Vordergrund. Sie wünschen sich eine Arbeit, die sie erfüllt. Der Freizeitaspekt wird wichtiger. Es gibt einige, die wollen nur in Teilzeit arbeiten und zum Beispiel um 15 Uhr den Stift fallen lassen. Das ist ein gewisser Kontrast zu anderen Generationen, die so sozialisiert wurden, dass man bis zum Umfallen arbeitet und erst in den Feierabend geht, wenn der Job erledigt ist. Ich sehe meine Aufgabe darin, zwischen diesen Positionen zu vermitteln.
Ist es nicht kompliziert, immer neue Arbeitsmodelle zu schaffen? Und brauchen Sie keine Leistungsträger, die bis zum Umfallen arbeiten?
Ich bin ein Fan davon, kreative Lösungen zu finden. Und zur zweiten Frage eine Gegenfrage: Muss ein Leistungsträger immer 40 Stunden in der Woche arbeiten?
Von Michael Gneuss