Fokus

Fintechs sind fokussierter auf ihre Kunden

Lukas Zörner nutzt Nischen, die Großbanken für Geschäfte mit KMU und Freiberuflern offen lassen. Mit Qonto bietet er ein Geschäftskonto für einfaches Finanzmanagement.
Lukas Zörner ist Mitgründer von Penta, einem Fintech, das mittlerweile zu Qonto gehört. Das mit über 4,4 Mrd. Euro bewertete Einhorn ist in Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien aktiv. Die Kunden bekommen neben dem Geschäftskonto auch Lösungen für die Buchhaltung, wie zum Beispiel das digitale Belegmanagement. In Deutschland wächst das Geschäft am stärksten. Noch stärker würde es wachsen, wenn er noch mehr Fachkräfte finden würde, meint Zörner.
Berliner Wirtschaft: Nach Ihren ersten Berufserfahrungen bei der Investmentbank Morgan Stanley haben Sie sich voll derFintech-Szene verschrieben. Warum?
Lukas Zörner: Weil ich glaube, dass die Fintech-Industrie eine Infrastruktur aufbauen kann, mit der Privat- und Unternehmenskunden sich viel Zeit und Energie ersparen können. Mir persönlich liegt dabei das Wohl der kleinen und mittelständischen Unternehmen besonders am Herzen. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, und ländliche Regionen werden nun einmal besonders von diesen KMU geprägt. Aber gerade diese Unternehmen brauchen starke Finanzpartner.
Warum werden die etablierten Banken dieser Rolle nicht gerecht?
Einen Unterschied zwischen etablierten Finanzunternehmen und Fintechs sehe ich im Kundenfokus. Ich denke, Fintechs sind fokussierter auf ihre Kunden. Ich verbringe 20 bis 30 Prozent meiner Zeit mit Kunden, weil ich glaube, dass es extrem wichtig ist, die Kundenbedürfnisse genau zu kennen. Wenn mal etwas nicht läuft, analysieren wir die Schwachstelle sofort und passen die Prozesse an. Produkte werden auf Kunden zugeschnitten und nicht auf die Maximierung unserer Interessen getrimmt. Bei Neueinstellungen prüfen wir intensiv, ob die neuen Leute diese Kundenzentriertheit auch wirklich mitbringen.
Und das ist typisch für Fintechs?
Ich glaube, dass diese Kundenzentriertheit ein ganz wichtiger Teil der DNA sehr vieler Fintechs ist. Und zudem ist die Systemlandschaft in der Regel einer ihrer großen Vorteile. Fintechs haben von Anfang an ihre Systeme voll digital aufgebaut und deswegen extrem niedrige Prozesskosten. Deshalb können sich auch Lösungen rechnen, die auf kleinere Zielgruppen zugeschnitten sind.
Wie schaffen Sie es, so viel Zeit mit Kunden zu verbringen?
Meine Woche fängt immer damit an, dass ich mir die Kundenfeedbacks der vergangenen Woche durchlese und daraus ableite, was wir lernen müssen. Mir ist auch wichtig, dass ich sowohl physisch als auch virtuell mit Kunden in Kontakt stehe. Deshalb nehme ich an vielen Veranstaltungen teil, halte Vorträge und komme so immer wieder mit Unternehmerinnenund Unternehmern in Kontakt, die ein Konto bei uns haben. Und schließlich bin ich in den sozialen Medien aktiv. Wenn mich jemand anschreibt, nutze ich den Kontakt, um mehr über Kundenbedürfnisse zu erfahren. So entwickeln wir uns weiter.
Haben Sie ein Beispiel?
Ja, es gab mal das Kundenfeedback, dass es für Daueraufträge auch die Option der quartalsweisen Ausübung geben sollte. Diese Funktion haben wir dann sehr schnell eingerichtet. Kundenfeedbacks halte ich für sehr wichtig, um unsere Projekte zu priorisieren. Ich erwarte auch von allen Mitarbeitenden, auf Kundenfeedbacks zu reagieren.
Können Sie solche Anpassungen schneller ­vornehmen als große Institute?
Für andere Institute kann ich nicht sprechen, aber uns ist wichtig, dass wir uns diese Agilität auch angesichts unseres Wachstums erhalten. Qonto hat europaweit mittlerweile 1.400 Mitarbeitende. Wir sind also kein kleines Start-up mehr. Wir arbeiten mit einem internen Operating-System, das sich der „Qonto Way“ nennt. Damit wollen wir auch als größeres Unternehmen schnell sein können. Einer unserer Kernwerte ist das „Continuous Improvement“ – die kontinuierliche Verbesserung. Er gilt für alle internen Prozesse, aber natürlich auch für das Produkt. Darin sehe ich den Schlüssel zum Erfolg.
Wie sehen Sie die Berliner Fintech-Szene?
Ich würde sagen, es ist ein Klub, aber ein offener Klub. Das ist das, was Berlin auszeichnet. Berlin ist meiner Meinung nach die Fintech-Hauptstadt. Nur hier findet man ein so offenes Ökosystem an Unternehmen, Investoren, Beratern, Gründern und Fachkräften mit Fintech-Expertisen. Junge Gründer oder Gründerinnen mit Fintech-Geschäftsideen finden hier alles, was sie brauchen. Das gilt auch für das Thema KI. Auch hier hat Berlin sehr gute Voraussetzungen – zum Beispiel dank des KI-Venture-Studios Merantix. Gleichzeitig müssen Fintechs ganz besonders auf den Zugang zu Fachkräften achten.
Warum?
Für Fintechs ist es mitunter besonders schwer, den Personalbedarf zu decken, weil wir oft hoch spezialisierte Personen mit Finanzhintergrund brauchen. Also nicht nur Programmierer, sondern auch zum Beispiel Compliance- oder Risiko-Fachkräfte. Gerade in der Finanzindustrie ist es wichtig, ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln und auf der Risiko- und Compliance-Seite gut aufgestellt zu sein.
Nutzen Sie in Berlin die Möglichkeit, auf politische Akteure zuzugehen?
Ja, mir ist wichtig, unsere Erfahrungen als Tech-Unternehmern weiterzugeben. Außerdem können wir von der Lage unserer Kunden, den KMU, berichten und auch noch erzählen, wie den Herausforderungen in anderen europäischen Ländern begegnet wird. Ich mache die Erfahrung, dass Politiker gern zuhören. Die Begegnungen von Politikern und Firmen können eine große Stärke von Berlin sein.
Welche Klagen Ihrer Kunden geben Sie denn an die Politik weiter?
In erster Linie macht den Firmen die Bürokratie zu schaffen. Damit geht Unternehmern viel Zeit verloren, die sie lieber mit Kunden oder Innovationen verbringen würden. Bürokratie wird immer mehr zum Wachstumsbremsklotz für deutsche Unternehmen. Da müssen wir ran.
In diesem Monat findet das Fintech Festival in Berlin statt. Was erwarten Sie von diesem Event?
Ich bin sehr froh, dass wir uns als Berliner Fintech-Szene auf diese Weise zeigen können. Es gibt in Berlin so viele Erfolgsstorys von Fintechs, die wir erzählen können. Und es ist eine gute Gelegenheit, die Zusammenarbeit von öffentlichen Stellen und Unternehmen darzustellen. An der Mischung der Gäste in den Panels wird sich abzeichnen, wie wir etwas voranbringen können. Ich engagiere mich persönlich als Ambassador für die Veranstaltung. Mir ist es sehr wichtig, ein klares Signal mit der Botschaft „Berlin ist weiterhin im Kommen“ zu senden.
Warum ist Frankfurt nicht Fintech-Hauptstadt?
Frankfurt ist nach meiner Einschätzung als Fintech-Standort auf einem sehr guten Weg, München auch. Berlin hat aber einen Vorsprung. Da in den Anfangszeiten der digitalen Ökonomie die ersten erfolgreichen Fintech-Gründungen in Berlin stattgefunden haben, haben sich die Investoren auf Berlin fokussiert. Und dadurch gibt es auch viele Talente mit Erfahrungen in Digital-Start-ups, die zum Teil auch gründen und wiederum neue Fachkräfte anziehen.
Qonto gibt es auch in Frankreich, Italien und Spanien. Wo kommen Sie am schnellsten voran?
Die Herausforderungen für KMU sind in allen Ländern gleich. Die Firmen wollen überall digitalisieren. Deutschland konnte 2023 das dritte Jahr in Folge das höchste Wachstum aller Qonto-Märkte erzielen. Daher wollen wir den Standort Berlin weiter ausbauen. Dafür brauchen wir noch mehr Talente.
Nutzen Sie KI für Ihr Geschäft?
KI bietet uns im Fintech-Markt riesige Chancen – zum Beispiel im Risiko- oder Transaktionsmonitoring. Aber eigentlich kann KI uns überall helfen, wo große Datenmengen zusammenkommen. So können wir die Informationen besser und schneller verstehen, und so werden wir vor allem Prozesse im Backoffice stetig verbessern können. Außerdem klären wir in zwei Projekten, ob wir unseren Kunden KI-basierte Lösungen anbieten können, damit sie effektiver mit Geschäftsdaten umgehen können.
von Michael Gneuss