Fokus
Geld wert
Berlin ist Hotspot der Fintech-Szene. Nirgendwo in Deutschland werden mehr Innovationen rund ums digitale, datengetriebene Banking entwickelt.
Fintechs in Berlin setzen längst nicht alles auf eine Karte: Produkte und Services sind extrem vielfältig
© Getty Images/Moment RF/ Eugene Mymrin
Die besten Jahre für Berlins Finanz- und Technologiestandort kommen erst noch, da ist sich Achim Oelgarth ganz sicher. „Berlins Fintech-Szene hat trotz eines vorübergehenden Funding-Tiefs nichts von ihrer Strahlkraft verloren. Im Gegenteil: „Nach einer Dekade, die in Berlin Fintechs und InsureTechs im Wert von bis zu 25 Milliarden Euro geschaffen hat, erleben wir die nächste Welle von Gründungen“, sagt der geschäftsführende Vorstand des Ostdeutschen Bankenverbandes. Pessimismus würde auch so gar nicht zu einem Projekt passen, das Oelgarth mit einem Projektteam mit viel Engagement vorantreibt. In Kürze wird in Berlin das House of Finance and Technology Berlin, kurz HoFT.Berlin, starten. „Wir wollen für die Branche und die Wirtschaft einen physischen Heimathafen schaffen, an dem sie netzwerken, neue Technologien für die Transformation erproben können und an dem Wissen zum Gründen, Skalieren und Etablieren vermittelt wird.“
Man plane zudem einen One-Stop-Shop für Verwaltungsprozesse. Gründungen in 24 Stunden zu ermöglichen, müsse ein Teil der Verwaltungsreform im Land werden. Projektträger sind die von Oelgarth mitgegründete Berlin Finance Initiative, der Wirtschaftsförderer Berlin Partner, die Investitionsbank Berlin und die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, die mit einem neuen HoFT.Berlin-Förderverein im Rahmen einer Public-Private-Partnership das HoFT.Berlin gründen wird. Das Land Berlin fördert das Projekt mit mehreren Mio. Euro als Anschub. Die Privatwirtschaft leistet ebenfalls einen erheblichen Beitrag, damit das HoFT.Berlin sich künftig selbst trägt.
Vor 15 Jahren hatten sich erste Gründer wie Miriam Wohlfarth mit Ratepay aufgemacht, digitale und innovative Lösungen in der Finanzbranche anzubieten. Etwas später etablierte sich die Abkürzung Fintech für „Financial Technology“. Mit kernigen Slogans wie „Die erste Bank, die du lieben wirst“ (N26) wollen die Newcomer traditionelle Finanzdienstleistungen revolutionieren, automatisieren und effizienter gestalten. Bei der 2013 gestarteten N26 mit heute mehr als 1.500 Beschäftigten etwa verzichtet man gleich ganz auf Filialen und setzt ausschließlich aufs Smartphone.
Breit aufgestellte Unicorns
Die mit mehr als einer Mrd. Euro bewerteten sogenannten Unicorns (Einhörner) zeigen, wie breit gefächert die Geschäftsmodelle sind. Neben N26 haben den Kultstatus unter anderem Wefox (Versicherungen), Trade Republic (Handelsplattform für Aktien, ETFs & Co.), Raisin (digitale Geldanlage) und die Solarisbank erreicht, die ausgestattet mit einer Vollbanklizenz Finanzdienstleistern den Start digitaler Produkte ermöglicht. „Berlin hat sich in den vergangenen Jahren zum absoluten Hotspot der Fintechs in Deutschland und darüber hinaus entwickelt“, sagt Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin. Von den deutschlandweit 1.000 Fintechs sitzen rund 40 Prozent in Berlin, die in der Hauptstadt mehr als 13.000 Mitarbeitende beschäftigen. Tendenz steigend.
Nicht nur die Fintechs lassen den Finanzstandort, an dem immerhin 1870 die Deutsche Bank in der Französischen Straße ihre Geschäftstätigkeit aufnahm und die Allianz 1890 gegründet wurde, in neuem Glanz erstrahlen. Die innovationstarke Szene zieht neben deutschen Banken auch ausländische Institute an, wie die amerikanische J.P. Morgan, die in der Hauptstadt die Digitalbank Chase starten will.
Doch nach der langen Wachstumsphase kam die Ernüchterung. Zuletzt hatten die gestiegene Skepsis gegenüber hoch bewerteten Tech-Aktien, Hyperinflation, steigende Zinsen nach rund zehnjähriger Nullzinsära und der Ukraine-Krieg dafür gesorgt, dass nicht nur Tech-Papiere an den Börsen abgestraft wurden. Auch die Bewertungen von Fintechs zog es zum Teil deutlich nach unten. Einst spendable Venture-Capital-Investoren schauten plötzlich sehr viel genauer auf die potenzielle Ertragskraft der Geschäftsmodelle. Einige Finanz-Start-ups wie Elinvar (Investment) oder Nuri (Krypto) entpuppten sich in der Folge als substanzschwach und mussten Insolvenz anmelden.
N26 und Solaris leiden derweil unter dem schnellen Kundenwachstum der Boom-Jahre. Regelmäßig sind die Finanzaufseher der BaFin zu Gast, um das Abwickeln ordnungsgemäßer Geschäfte sicherzustellen. Zu einer der großen Herausforderungen zählt Achim Oelgarth deshalb auch, dass die jungen Finanztechnologie- unternehmen in dem stark regulierten Umfeld entsprechend den BaFin-Vorgaben agieren. Auch da könne das House of Finance and Technology Berlin unterstützen.
Aus Sicht von „Finanz-Szene“, einem der führenden Newsletter für die deutsche Banken- und Fintech-Branche, „ist die Fintech-Branche als Ganzes durch die nicht enden wollende Funding-Krise sicherlich um 12 bis 24 Monate zurückgeworfen worden“. Verkehrt sei aber, deswegen zu glauben, das sei es jetzt gewesen mit Fintech. Stattdessen hätten gerade die vergangenen Wochen gezeigt, dass sogar das Gegenteil der Fall sein könnte. Da seien zum einen die weiterhin stark steigenden Kundenzahlen. Zum anderen schöben sich Player, die man bislang in der Peripherie verortete, plötzlich mitten auf die Bildfläche, etwa die KMU-Bank Finom. Und trotz des schwierigeren Umfeldes gelang es diversen Fintechs, erfolgreich stattliche Finanzierungsrunden abzuschließen, darunter Scalable Capital, Banxware, Upvest und Solaris. Der Zinsmarktplatz Raisin etwa sammelte im vergangenen Jahr noch einmal 60 Mio. Euro ein, sodass insgesamt seit der Gründung 400 Mio. Euro in das Unternehmen flossen. Und Trade Republic bekam jüngst die begehrte Banklizenz und damit einen deutlich größeren Handlungsspielraum.
Anbieter im Blockchain-Bereich legen zu
Für Florian Heinemann, Mitgründer und Partner des 2012 gestarteten Berliner Frühphaseninvestors Project A Ventures, spüren die meisten Fintechs zwar nicht gerade massiven Rückenwind, aber „es gibt immer noch viel Disruptionspotenzial, weil der Markt in vielen Bereichen immer noch verkrustet ist“. Gute Chancen hätten deshalb Unternehmen wie Mambu oder Lemon Markets, die die technologische Infrastruktur für Banken und Finanzdienstleister bereitstellen. Und nach dem vorübergehenden Einbruch läuft es mit der Erholung der Kurse der Kryptowährungen jetzt auch für Anbieter im Bereich Blockchain beziehungsweise Krypto wieder deutlich besser.
Die Fintech-Branche zeigt sich also resilient und sendet wieder Lebenszeichen. Dafür kann sie auch eine neue Messe nutzen. Am 24. und 25. April 2024 wird in der Kongressarena City-Cube zum ersten Mal das Fintech-Festival FIBE (steht für Fintech Berlin) stattfinden. Die Messe Berlin hatte angekündigt, die FIBE zum Signature-Event für das Fintech-Ökosystem in Europa machen zu wollen.
Für IHK-Präsident Stietzel kommt es aber jetzt auch darauf an, „diesen innovativen Unternehmen der Finanzwirtschaft Rahmenbedingungen und Infrastruktur zu bieten, unter denen sie am Standort optimal operieren und wachsen können“. Miriam Wohlfarth, Fintech-Seriengründerin und Geschäftsführerin von Banxware, ergänzt: „Ich appelliere inständig an Wagniskapitalgeber und Family Offices, weiter Geld in Innovation zu stecken. Der Fachkräftemangel und fehlende Finanzierungsgelder werden weder vor Berlin noch vor anderen unterschätzten Tech-Innovationshubs wie Heilbronn, Frankfurt oder München haltmachen.“ Fintechs bräuchten neben staatlicher Förderung schnell verfügbares Wagniskapital, das sie handlungsfähig mache, um zukunftsfähig zu sein. „Innovation wird genau jetzt, in der Krise, gebraucht.“
von Eli Hamacher