Fokus
Bekenntnis zur Wirtschaft
Bei seinem Auftritt im Ludwig Erhard Haus sicherte sich Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner mit seinen Statements die Zustimmung der Gäste.
IHK-Präsident Sebastian Stietzel (l.) und IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder (r.) begrüßen den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner zum gut besuchten Wirtschaftspolitischen Frühstück.
© Jens Ahner – IHK Berlin
Es war ein Heimspiel für Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner. Sein erster Auftritt als Regierungschef bei einem Wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK Berlin lockte 400 Gäste ins Ludwig Erhard Haus. Und die empfingen den Politiker mit freundlichem Beifall. Dieser wiederum revanchierte sich zwei Stunden lang mit Statements, die von den Unternehmerinnen und Unternehmern etliche Male mit Applaus bedacht wurden. Kurzum, der von Wegner seit seinem Amtsantritt vor zehn Monaten betonte Schulterschluss mit der Wirtschaft fand auch hier statt. Nicht ohne „Hintergedanken“ des Regierungschefs: „Ich wünsche Ihnen volle Auftragsbücher, investieren Sie, machen Sie Gewinne, dann freut sich der Finanzsenator über hohe Steuereinnahmen.“ Nur so seien Investitionen in die Zukunft der Stadt möglich.
Trotz der freundlichen Worte, die Erwartungshaltung der Unternehmen ist hoch und die Geduld endlich. Das machte IHK-Präsident Sebastian Stietzel deutlich. Insbesondere die Themen Verwaltungsreform und Entbürokratisierung brennen der Wirtschaft unter den Nägeln, wie er betonte. Warum sollten Reformen jetzt klappen, wenn diese in der Vergangenheit nicht möglich waren? Wegner ließ sich durch diese Spitze nicht aus der Ruhe bringen. Er kündigte in Sachen Verwaltungsreform für Mai erste Ergebnisse an. Ausdrücklich bekräftigte er den Willen, gemeinsam mit der Opposition im Abgeordnetenhaus, aber auch den Bezirken, der Wirtschaft und Stadtgesellschaft an diesem Thema zu arbeiten. „Wir müssen die Chance jetzt ergreifen“, forderte er. Es brauche klare Zuständigkeiten, größere Anstrengungen bei der Digitalisierung der Verwaltung und ein flexibleres Laufbahnrecht. „Ich möchte eine tiefgreifende Veränderung, konsequent, unideologisch und pragmatisch.“ Sein Ziel sei es, die Reform bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2026 über die Bühne zu bringen.
Schneller und mehr bauen
Optimistisch äußerte sich der Regierungschef hinsichtlich der politischen „Super-Baustelle“ Wohnungsbau. „Wir wollen, dass viele Fachkräfte nach Berlin kommen“, sagte der Politiker und fügte hinzu: „Aber in der Stadt gibt es einen völlig kaputten Wohnungsmarkt, und wer will schon unter einer Brücke schlafen?“ Hintergrund: 2023 sind in Berlin nur rund 16.000 neue Wohnungen fertiggestellt worden, wie in den Jahren zuvor wurde die Zielmarke von 20.000 Neubauwohnungen klar verfehlt. Wegner kündigte an, an der Zielmarke festzuhalten und dazu auch eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes zu ermöglichen. „Das geht der Senat auch an“, sagte er. Es müsse schneller und mehr gebaut werden, und zwar in allen Preissegmenten. Wegner verwies auf das vom Senat geplante „Schneller-Bauen-Gesetz“ und die vorgesehene Änderung der Landesbauordnung mit „60 bis 70 Einzelmaßnahmen“. Im Kern geht es um klare Zuständigkeiten zwischen Land und Bezirken, einheitliche Standards für die Verfahren oder verkürzte Fristen.
Kooperationen mit der Wissenschaft
Ebenso weit oben auf der politischen Agenda stehen für Wegner Wissenschaft, Forschung und Technologie. Die Stadt verfüge über großes Potenzial, das müsse aber besser genutzt werden. Für die engere Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft seien erste Schritte gemacht worden, sagte der Regierungschef mit Verweis auf Kooperationsverträge der IHK Berlin mit Hochschulen, zum Beispiel mit der HWR (s. S. 12). Es müsse gelingen, die vielen guten Ideen in Produkte fließen zu lassen – und zwar in Berlin. Das gelte auch für die KI-Branche. Nach einer jüngsten Umfrage haben 32,5 Prozent aller KI-Start-ups in Deutschland ihren Sitz in der Bundeshauptstadt.
In Berlin werde viel geklagt, sagte Wegner. Dabei besitze die Stadt ein Riesenpotenzial für Innovationen. „Wir müssen in Deutschland vor keiner Konkurrenz Angst haben“, betonte der Regierungschef. Er forderte, die Stärken der Stadt öfter als bisher „ins Schaufenster“ zu stellen. Dazu gehörten auch die Internationalität und Vielfalt Berlins. Die Stadt brauche und wolle ausländische Fachkräfte und Zuwanderung. Dazu benötige Berlin aber auch gute internationale Flugverbindungen. Es könne nicht sein, dass der BER nur Zubringer für Frankfurt/Main und München ist, erklärte Wegner. Er erwarte eine stärkere Unterstützung der Bundesregierung für eine bessere internationale Anbindung, zumal der BER für ganz Ostdeutschland von Bedeutung sei.
Der Regierende Bürgermeister hob auch die Bedeutung der anstehenden Europawahl am 9. Juni hervor. In den schwierigen Zeiten des Ukraine-Kriegs und der Angriffe auf die Demokratie in Deutschland und die Einheit Europas sollte Berlin ein Zeichen für Demokratie und gegen Ausgrenzung setzen, betonte er. Berlin profitiere in vielfältiger Weise von Europa, auch die Wirtschaft. Wegner rief dazu auf, sich an der Wahl zu beteiligen, mit der Bitte: „Wählen Sie eine demokratische Partei.“
von Holger Lunau