Auf den Punkt

Das Internet ist immer noch Neuland

Angela Merkel hatte recht: Denn Entwicklungen machen das Internet ständig zu etwas Neuem – begegnen kann man dem nur mit Offenheit und Neugier.
Meinung
In der Kolumne „Auf den Punkt“ ­positionieren sich im ­monatlichen Wechsel Mitglieder des ­Präsidiums zu wirtschaftspolitischen ­Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht.
Als Angela Merkel vor zehn Jahren über das Neuland Internet sprach, wurde sie von vielen, die sich als „Digital Natives“ verstanden, wahlweise milde belächelt oder unsanft verspottet. Man hielt ihren Blick auf das Internet für naiv. Vielleicht war er es, vielleicht nicht. Ungefähr 50 Prozent der Deutschen waren 2003 online, 2013 waren es 75 Prozent, heute sind es über 90 Prozent. Darin spiegeln sich demografische Veränderungen, aber dahinter verbirgt sich weit mehr Wandel.
Das Internet ist nicht nur allgegenwärtig, es war und ist in Entwicklung, es wird auch größer – und ist allein damit immer wieder Neuland für alle. Nur ein Beispiel: TikTok gab es 2013 noch nicht, jetzt sind es allein in Europa 150 Millionen Nutzende. Das ist nicht einfach für Gen Z wichtig, sondern ebenso für alle Unternehmen, die diese Generation erreichen wollen.
Wie das Internet von 2033 sein wird, weiß heute niemand. Wenn das Internet nicht immer wieder Neuland wäre, wäre es ein gedrucktes Buch. OpenAI wurde 2015 gegründet – wie viele unserer Online-Interaktionen werden in zehn Jahren mit KI sein? Wird es Websites, wie wir sie kennen, dann noch geben? Was bedeutet das für Geschäftsmodelle? Während einige Geschäftsmodelle direkt durch das Internet bedroht sind – jetzt oder später –, geht es viel öfter darum, wer sich besser immer wieder neu darauf einstellt. Nicht KI bedroht einen, sondern jene Wettbewerber, die besser damit umgehen.
Laut einer aktuellen Umfrage ziehen sich angesichts einer bedrohlich wahrgenommenen Welt voller Krisen immer mehr Menschen ins Private zurück. Auf ­Netflix kommen keine Nachrichten. In der eigenen WhatsApp-Gruppe gibt es keine anderen Weltbilder. Wer mit solchen Scheuklappen lebt, den Blick auf die Welt so einschränkt, der neigt nicht nur zu Fehlwahrnehmungen, der will kein Neuland mehr entdecken, nirgendwo.
Es ist oft nicht das, was man nicht weiß, was wirklich ­Schwierigkeiten bringt. Es ist das, was man sicher weiß, was aber einfach nicht (mehr) so ist. Komfortzone kills. Das gilt für kleine Unternehmen und für große. Man frage nur Warenhauskonzerne, Shoppingcenter, Autohersteller oder Videotheken.
Denn eigentlich ist Neuland natürlich überall, nicht nur im Internet. Gute Unternehmer und Unternehmerinnen wissen das. Jeder Tag ist Tag eins, so Jeff Bezos. Auf die Welt da draußen sollte man deshalb immer neugierig bleiben, in Veränderungen immer auch Chancen sehen und immer die Stärke haben, auch sich selbst zu hinterfragen.
Von Roman Kaupert
Geschäftsführer der Kreativagentur Zepter und Krone und Mitglied des IHK-Präsidiums