Auf den Punkt
© Amin Akhtar – IHK Berlin
Ich will keine Quote
Meinung
In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht.
Aber solange es faktisch eine Männerquote in Spitzen- und Entscheidungspositionen gibt, braucht eine nachhaltige Wirtschaft eine Diversitätsquote, findet Lana Wittig.
Oh, oh, ich habe es gesagt, das Q-Wort: Quote. Aber geben Sie mir noch ein paar Sätze, bevor Sie erzürnt die Seite umblättern. Hätten Sie mich vor zehn Jahren gefragt, ob ich für eine Frauenquote bin, hätte ich Ihnen geantwortet: „Auf keinen Fall. Ich möchte schließlich nicht die ,Quotenfrau‘ sein.“ Fragen Sie mich heute, sieht die Sache anders aus. Heute bin ich unbedingt für eine Quote.
Schauen wir auf die Verteilung von Spitzen- und Entscheidungspositionen in der Wirtschaft momentan, dann sehen wir eigentlich genau das: eine Quote. Nur ist es eine Männerquote. Denn die wichtigsten und mächtigsten Positionen sind durchweg männlich besetzt. Nicht nur das, die Homogenität zieht viele weitere Kreise. Die Mächtigen der deutschen Wirtschaft sind weiß, in Deutschland geboren und im Westen ausgebildet.
Die AllBright Stiftung hat diese Erkenntnis einst den „Thomas-Kreislauf“ genannt, denn es gibt in den 160 deutschen Börsenunternehmen nicht nur über 86 Prozent Männer, sondern auch mehr Vorstandsmitglieder, die Thomas oder Michael heißen, als es insgesamt Frauen gibt. Und diese Thomasse (be)fördern jüngere Thomasse als Nachfolger in die Spitzenpositionen. Seit Jahrzehnten versuchen wir, durch freiwillige Maßnahmen genau das zu unterbinden.
Die Ergebnisse sind peinlich für unseren Wirtschaftsstandort: Wir sind internationales Schlusslicht in Sachen Geschlechtergerechtigkeit und Parität. Wirken wir dieser Entwicklung nicht endlich entgegen, geht uns bares Geld verloren. Studien beweisen, dass divers aufgestellte Teams innovativer sind und effizienter arbeiten. Jedes Unternehmen tut also gut daran, sich nicht nur aus Gründen der Gerechtigkeit, sondern für die Wirtschaftlichkeit divers aufzustellen.
Diversität meint aber nicht nur die gerechte Aufteilung von Macht zwischen Mann und Frau, sondern umfasst noch viel mehr Dimensionen, beispielsweise ethnische und soziale Herkünfte, sexuelle Orientierung und körperliche und geistige Fähigkeiten. Daher gehe ich sogar noch weiter: Wir brauchen keine Frauen- quote, wir brauchen eine Diversitätsquote, die alle mitdenkt. Eine nachhaltig erfolgreiche Wirtschaft erreichen wir nämlich nur, wenn wir auch die gesamte Gesellschaft auf allen Levels abbilden.
Die gute Nachricht zum Schluss: Die Quote ist ein Mittel zum Zweck. Sie ist Wegbereiterin. Sobald wir am Ziel sind, Strukturen geschaffen haben, die Gerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe sicherstellen, können wir uns wieder von ihr verabschieden. Bis es so weit ist, verabschiede ich mich mit den Worten: Ich will keine Quote, aber ich bin mir sicher, wir brauchen sie.