Agenda
© Konstantin Gastmann – IHK Berlin
Weniger Bürokratie, mehr Konjunktur
IHK-Gast Christian Dürr, Chef der FDP-Fraktion im Bundestag, mahnt umfassende Reformen an – auch bei Bürokratieabbau und Einwanderungspolitik.
Immer die Wirtschaft im Blick: FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr im Ludwig Erhard Haus
© Konstantin Gastmann – IHK Berlin
Im zweiten Anlauf hat es geklappt. Nachdem der FDP-Fraktionschef im Deutschen Bundestag, Christian Dürr, im März wegen der Sitzung des Ampel-Koalitionsausschusses kurzfristig absagen musste, stand er nunmehr bei einem Wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK Berlin Rede und Antwort. Und der Liberale hielt bei seinem Auftritt, womit die FDP im Allgemeinen verbunden wird: klare Kante zeigen, Widersprüche provozieren, immer mit beiden Augen die Wirtschaft im Blick behalten. Und den 150 Unternehmerinnen und Unternehmern der morgendlichen Veranstaltung gefielen die Äußerungen, die mehrfach mit Beifall bedacht wurden.
„Deutschland steht vor gigantischen Herausforderungen und geopolitischen Veränderungen“, beschrieb Dürr die Lage. Im internationalen Vergleich sei Deutschland als viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt schlecht aufgestellt. Hemmnisse seien insbesondere die überbordende Bürokratie, steuerliche Fragen, hohe Energiepreise und die enormen demografischen Probleme. Vor diesem Hintergrund mache sich die FDP für Reformen stark, auch wenn das in der Ampel-Koalition nicht immer leicht sei und es gesetzliche Erblasten der Vorgängerregierung gäbe.
Ein zentrales Thema war die zunehmende Bürokratie, von vielen Gäste scharf kritisiert. Hier verwies Dürr darauf, dass 57 Prozent der Bürokratie EU-gemacht sind. Er sei ein „glühender Europäer“, betonte der Politiker. Aber auf diesem Feld müssten sich Dinge ändern. Aber: „Was wir dürfen und können, müssen wir einfach machen“, forderte der Fraktionschef mehr Eigeninitiative. Als Beispiel nannte er das von seiner Partei initiierte Bürokratieentlastungsgesetz, mit dem die Aufwände der Unternehmen auf ein historisches Minimum sinken würden. Allerdings seien auch die Bundesländer gefordert, Bürokratie abzubauen. Auch das Planungsbeschleunigungsgesetz werde dazu beitragen, Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller abzuschließen. Beim Bau der LNG-Terminals habe Deutschland bewiesen, dass es auch schneller gehen kann.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz abschaffen
Ein großes Ärgernis für viele Unternehmen ist auch das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, mit dem die Einhaltung menschenrechtlicher Standards in anderen Ländern dokumentiert werden soll. „Als Mittelständler habe ich keine Kapazitäten, die geforderten umfangreichen Nachweise beizubringen“, berichtete der Geschäftsführer der AEMtec GmbH, Jan Trommershausen. Zudem seien seine Geschäftspartner oft nur Zwischenhändler und verfügten nicht über die entsprechenden Informationen. Alternativ beliefere er nunmehr US-amerikanische Firmen, denen das Gesetz egal sei. Nach Ansicht von Dürr gehört das Gesetz abgeschafft, weil damit „nur zusätzliches Papier bedruckt wird“.
Zum allgegenwärtigen Fachkräftemangel sagte Dürr: „Deutschland muss lernen, ein modernes Einwanderungsland zu werden.“ Als Beispiele nannte er Kanada und Neuseeland. „Wer Lust hat, durchzustarten, unsere Werte teilt und sich an das Grundgesetz hält, dem sollten wir einen roten Teppich ausrollen“, forderte der Politiker. Die Spannungen in diesem Bereich seien ein „gesellschaftspolitischer Großkonflikt“ und: „Das Einwanderungsthema sollten wir nicht irren Rechten überlassen.“ Vor dem Hintergrund vieler illegaler Einreisen forderte Dürr erneut von den Bundesländern, kein Bargeld mehr an Flüchtlinge zu zahlen. Diese Praxis könne sofort gestoppt werden. Zur Migration von Flüchtlingen sagte Dürr: „Wir sind ein weltoffenes Land, müssen aber sehen, dass Einwanderung nach Recht und Ordnung geschieht.“
Zum Abschluss der Veranstaltung richtete Dürr an die Unternehmerinnen und Unternehmer noch einen Appell. Auf die Kritik von Fröbel-Vorstand und IHK-Vizepräsident Stefan Spieker zur zunehmenden Bürokratie forderte der Liberalen-Politiker die Wirtschaft auf, sich öfter erkennbar zu äußern. Denn die Entscheidungen in den Parlamenten würden von Politikern getroffen, auch in Brüssel. Und da falle ihm auf, „dass sich die deutsche Wirtschaft manchmal nicht laut und deutlich genug äußert“.
Von Holger Lunau