Auf den Punkt

Hauptstadt-Flugpläne sehen anders aus

In Europa ist Deutschland das Schlusslicht im Luftverkehr – und am Airport der Metropolregion, dem BER, ist das Flugangebot besonders schlecht.
Meinung
In der Kolumne „Auf den Punkt“ ­positionieren sich im ­monatlichen Wechsel Mitglieder des ­Präsidiums zu wirtschaftspolitischen ­Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht.
Umsteigen in Frankfurt, München oder Paris – das kennen wir. Schon seit jeher müssen wir zwischenlanden, wenn wir nach Los Angeles, Rio, Dubai oder Singapur fliegen möchten. Weltweit einzigartig für die Hauptstadt eines Industrielandes, historisch bedingt durch die Zeit der Teilung.
Den Vielflieger erstaunt die Zwischenlandung aber doch, wenn er nach Luxemburg, Sevilla oder Toulouse fliegen will. Hier sind seit Corona die Direktflüge ab BER gestrichen. Ein Umstand, der den Passagier nicht nur sehr viel Zeit, sondern auch Geld kostet und gleichzeitig die CO2-Emissionen der Reise deutlich erhöht.
Und, ganz egal, ob als finales Ziel oder zum Umsteigen: Nach Paris, London oder Amsterdam zu kommen, ist nicht mehr so einfach: Easyjet und Ryanair haben Flugzeuge an günstigere Standorte verlagert, Lufthansa die Zubringerflüge nach Frankfurt massiv ausgedünnt, British Airways und Air France ebenfalls die Zubringer zu ihren Drehkreuzen deutlich reduziert.
Der Luftverkehr in ganz Europa ist fast auf dem Vor-Corona-Niveau, nur nicht hier. Deutschland ist das Schlusslicht, denn die Preise für Gebühren, Sicherheit und die Luftverkehrssteuer machen die Bundesrepublik zum Luxus-Ziel. Während die Reduktion bei den innerdeutschen Flügen im Sinne der Nachhaltigkeit sein mag, kommen auch nur noch 23 Prozent der Passagiere an deutschen Flughäfen aus dem Ausland. Bei Ryanair ist Deutschland auf Platz sechs der größten Märkte, bei Easyjet auf Rang neun – für das bevölkerungsreichste Land Europas eigentlich ein Witz.
Gemeinsam mit den Brandenburger Kammern haben wir 2023 die Unternehmen der Hauptstadtregion nach ihren Bedarfen gefragt – quantitativ online und qualitative Interviews mit den größten Unternehmen. Auch, wenn mancher Flug durch Videokonferenzen und Zugreisen eingespart werden kann: Die befragten Unternehmer sehen die Konnektivität als massiven Wettbewerbsnachteil für ihren Standort. Sie sehnen sich nach Verbindungen in die USA (West- und Ostküste), nach China, Japan, Singapur, Dubai und Südamerika.
Die verlorenen und ausgedünnten europäischen Flugverbindungen gefährden nicht nur die Erholung der Tourismusdestination Berlin, sondern bremsen auch die Wirtschaft. Innereuropäisch sind mehr tägliche Direktflüge in die Hauptstädte Paris, London, Amsterdam und Rom die oberste Priorität der befragten Unternehmen.
Der Senat hat im September am BER getagt und sich zu ihm bekannt. Vielleicht schaffen wir es ja gemeinsam, dass wir uns im Flieger irgendwann hauptstadtgemäß fühlen dürfen?
Von Robert Rückel
Geschäftsführer des Deutschen Spionage Museums und des Deutschlandmuseums sowie Vizepräsident der IHK Berlin.