Branchen
Krise in Tüten
Ladenschließungen, Insolvenzen: Etliche stationäre Fashion-Anbieter schwächeln. Auch der E-Commerce der Branche leidet unter Absatzschwierigkeiten.
Für die Modebranche ist es eine herausfordernde Zeit – und vielleicht auch eine Phase der Auslese?
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Die schlechten Nachrichten im Modehandel scheinen nicht abzureißen. Ende März meldete der Schuhhändler Reno Insolvenz an, nur sechs Monate nach der Übernahme durch einen neuen Investor. Rund 180 Filialen in Deutschland stehen auf der Kippe. Und das ist nur eine weitere Pleite in der Branche – zuvor haben bekannte Firmen wie Görtz oder Salamander Insolvenz angemeldet. Erstere musste 80 von 160 Läden schließen, darunter auch die Geschäfte an der Berliner Tauentzienstraße. Offiziell gelten vor allem die Folgen der Corona- Pandemie und die sinkende Konsumlaune der Verbraucher als ursächlich. Möglicherweise stecken weitere Probleme dahinter, die die Branche beschäftigen.
Wenn man den Blick etwas weitet, sieht man, dass der gesamte Modehandel in der Krise steckt, wie es Thomas Freude, Manager von Peek & Cloppenburg, offen gegenüber dem Magazin „Wirtschaftswoche“ formulierte. Apropos Peek & Cloppenburg – der traditionsreiche Filialist beantragte Anfang März ebenfalls Insolvenz in Eigenverwaltung. Die 67 P&C-Häuser sollen erhalten werden, auch Kündigungen soll es nicht geben. Man möchte eventuell mit den Vermietern über „marktgerechte Konditionen“ verhandeln, so Freude. Sind also die hohen Mieten schuld?
Es wäre aber voreilig, daraus zu schließen, dass stationäre Geschäfte leiden, während der Onlinehandel boomt. Letztes Jahr waren die Umsätze im E-Commerce zum ersten Mal überhaupt rückläufig (siehe „Berliner Wirtschaft“ 03/2023, S. 40). Die höchsten Einbußen vermeldeten dabei Multichannel-Händler. Das bestätigt auch P&C-Manager Freude: „Die Erwartungen an das Onlinegeschäft haben sich für uns nicht ansatzweise erfüllt. Den hohen Investitionen standen keine entsprechenden Erträge gegenüber.“ Dass mit dem E-Commerce „kaum ein Bekleidungshändler Geld verdient“, bestätigte jüngst eine Umfrage des Bundesverbands Textil (BTE). Fast 60 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen gaben an, dass sich der E-Commerce nicht rechne, der eigene Onlineshop war sogar im Vergleich am unwirtschaftlichsten.
Luxus und Discount funktionieren noch
„Das Luxussegment und der Discountbereich funktionieren noch, aber in der Mitte bricht das Geschäft weg“, so Thomas Freude im „Wirtschaftswoche“-Interview. Dafür spräche auch, dass bei Deichmann von Krise keine Rede ist, der Branchenriese möchte weiter in seine Standorte investieren. Auch der Münchener Modehändler Mytheresa mit dazugehöriger Onlineplattform wuchs 2021/2022 kräftig im Luxussegment.Die Turbulenzen bei Zalando oder die Insolvenz des Berliner Handelsunternehmens Shoepassion (ebenfalls Anfang März dieses Jahres) zeigen, dass auch bei sogenannten Online-Pure-Playern nicht eitel Sonnenschein ist. Einige Experten vermuten, dass der explosionsartige Boom im E-Commerce durch die Corona-Pandemie zwei Jahre lang viele Probleme überdeckt hat und die wahre Auslese jetzt beginnt.
Von Dr. Mateusz Hartwich