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Bunte Kabel braucht die Stadt
Glasfaser, und damit Daten-Speed, ist der Bedarf der Stunde. Auch beim Ausbau setzt man auf Geschwindigkeit, denn Berlin hinkt derzeit noch hinterher.
500.000 Berliner Haushalte sollen bis 2026 an das Glasfasernetz angeschlossen werden.
Deutschland macht Tempo. Bis zum Jahr 2025 soll jeder zweite Haushalt einen Glasfaseranschluss bekommen können, bis 2030 jeder Haushalt. Das sieht die Gigabitstrategie des Bundes vor. „Der Bedarf an großen Datenmengen verdoppelt sich aktuell alle zwei Jahre. Dazu trägt vor allem die stark steigende Nutzung von Apps, Streaming und Internetdiensten bei“, sagt Marco Sick, Geschäftsführer der Vattenfall Eurofiber GmbH.
Doch ausgerechnet Berlin hinke beim Glasfaserausbau hinterher. Im Bundesschnitt hatte Mitte 2022 laut Bundesverband Breitbandkommunikation jeder vierte Haushalt einen Glasfaseranschluss. In der Hauptstadt seien es gerade mal zehn Prozent, womit sie das Schlusslicht unter den Bundesländern bildet.
Marco Sick, Geschäftsführer Vattenfall Eurofiber, möchte dazu beitragen, dass Berlin zur Glasfaserstadt wird.
Dass sich Berlin doch noch zur Glasfaserstadt entwickelt, dazu will das 2021 gegründete Joint Venture Vattenfall Eurofiber GmbH mit zurzeit 80 Beschäftigten beitragen. „Bis 2026 wollen wir 500.000 Berliner Haushalte an dieses leistungsstarke Netz anschließen, um ihnen damit Highspeed-Internet anbieten zu können, aktuell sind es ca. 25.000, Ende 2023 dann fast 80.000“, so Sick. Dabei kümmert sich das Unternehmen ausschließlich um die Infrastruktur. Im Rahmen einer sogenannten Open-Access-Strategie können alle Provider ihre Leistung über das Netz von Vattenfall Eurofiber anbieten, sodass der Telekommunikationsanbieter frei gewählt werden kann und nicht an den Netzbetreiber gebunden ist. „So können Kunden Leistung und Preise vergleichen“, erklärt Sick und vergleicht die Situation mit Stromnetz Berlin, die allen Bewohnern der Stadt ihr Stromnetz zur Verfügung stellt, während die Stromkunden dann unter zahlreichen Stromanbietern wählen können.
Um die mit rotem, blauem, grünem und gelbem Kunststoff ummantelten dicken Kabel unter der Erde zu verlegen, nutzt das Joint Venture die vorhandene Tunnelinfrastruktur der Vattenfall. „Mit Robotern ziehen wir die Glasfasern oftmals von der Öffentlichkeit unbemerkt in die alten 700 Kilometer langen Fernwärmekanäle. So müssen wir nur punktuell die Straßen aufgraben, was die Zahl der Baustellen reduziert.“ Mit zwei Anschlussverfahren treibt Vattenfall Eurofiber den Glasfaserausbau voran: Bei Fiber-to-the-Building (FTTB) werden die Leitungen als Zwischenlösung schon mal mit der bestehenden Haus-infrastruktur verbunden. Bei der aufwendigeren Fiber-to-the-Home (FTTH) geht der Anschluss direkt bis in die Wohnung.
„Gängige Breitbandprodukte können heute bei beiden Lösungen genutzt werden. Mit weiter steigender Nachfrage nach großen Datenmengen braucht man allerdings einen Wohnungsanschluss“, erklärt Sick, dessen Kunden die Hauseigentümer sind. Im Rahmen ihrer Gigabit-Strategie unterstützt die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Unternehmen der Telekommunikationsbranche, um einen schnellen und effizienten Ausbau der Infrastruktur zu ermöglichen. Als Partner des Landes Berlin tauscht sich Vattenfall Eurofiber regelmäßig mit dem Senat aus. Deutlich besser laufen könnte nach Meinung Sicks vor allem die Zusammenarbeit mit den Ämtern in den 12 Bezirken. Die Prozesse müssten zügiger vorangehen, aber es mangele an Ressourcen. „Um den Glasfaserausbau voranzutreiben, bräuchten wir unbedingt schnellere Genehmigungen.“
Tim Brauckmüller, Geschäftsführer atene KOM: "Für die Industrie 4.0 ist die Glasfaser die entscheidende Querschnittstechnologie."
© Florian Schuh
Schon seit Ende 2007 unterstützt die Atene Kom GmbH, die als Projektentwicklungsunternehmen europaweit agiert, die öffentliche Hand bei neuen Technologien, darunter Digitalisierungsprojekte in Deutschland. Am Hauptsitz in Berlin sind aktuell circa 200 Menschen beschäftigt, an weiteren in- und ausländischen Standorten noch einmal 250. „Als Projektträger, etwa für das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, verwalten wir zum Beispiel die Fördergelder in neun Bundesländern. Gleichzeitig unterstützen wir die Kommunen, wie sie an die Projekte herangehen“, so Tim Brauckmüller, Geschäftsführer und Alleingesellschafter des Unternehmens.
Der Glasfaserausbau habe aktuell die höchste Dynamik seit Jahren in Deutschland und auch eine der höchsten in Europa, so Brauckmüller. „Es geht voran, aber wir haben auch noch viel vor uns.“ Denn es müssten nicht nur private Haushalte, sondern auch Mobilfunkstandorte, Krankenhäuser, Gewerbeunternehmen und Gewerbegebiete angeschlossen werden. „Für die Industrie 4.0 ist die Glasfaser die entscheidende Querschnittstechnologie.“
Die größte Herausforderung sei das Verlegen der Kabel in die einzelnen Wohnungen, weil neben den Telekommunikationsanbietern auch andere Gewerke, wie spezielle Handwerker, eingebunden seien. Hinzu kämen die Beachtung von Brandschutzvorschriften, zahlreiche Terminvereinbarungen mit Eigentümern und Mietern sowie komplizierte Genehmigungsprozesse, was den Prozess kleinteilig und damit langwierig mache.
Optimistisch stimmt Brauckmüller, dass neben deutschen Konzernen wie der Allianz auch immer mehr ausländische Unternehmen in Deutschland in den Glasfaserausbau investierten. Um das Netz zukunftssicher zu machen, seien Versorgungssicherheit und Qualität unerlässlich. Am Ausbau seien deshalb zahlreiche regionale Versorger beteiligt. Wenn es zu einem Ausfall komme, sei nur ein Teil der Infrastruktur betroffen. Für die Qualität sorgen Hochleistungskabel, die aus mehreren kleinen Fasern bestehen, die zum Beispiel auch genutzt werden können, um Stromzähler, Straßenlaternen oder Ladesäulen zu steuern.
In anderen Bundesländern scheint der Glasfaserausbau besser voranzugehen. „Hessen und Rheinland-Pfalz stellen zum Beispiel eine digitale Lösung für die Baugenehmigungsverfahren bereit, die sie auch mit anderen Ländern teilen“, so der Atene-Kom-Chef. Auch Niedersachsen habe sehr schlanke Verfahren bei der Genehmigung von Mobilfunkmasten oder Grabungsarbeiten. In Städten seien der Tiefbau und auch die Genehmigungsverfahren aber immer komplizierter als auf dem Land.
Von Eli Hamacher