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Grün kommt aus Berlin

Der Druck nimmt zu, Unternehmen müssen die Dekarbonisierung vorantreiben. Die Hauptstadt ist dabei ein Top-Standort für smarte Lösungen
Climate Tech ist in Europa in aller Munde. Allein von 2017 bis 2021 hat sich die Investitionssumme in diesem Bereich verzehnfacht. Berlin zählt bei diesem Thema zu den europäischen Top-Standorten: Grüne Start-ups entwickeln hier eine Vielzahl ausgezeichneter digitaler Ideen im Kampf für mehr Klimaschutz. Im Fokus stehen dabei immer häufiger auch smarte Software-Lösungen, mit deren Hilfe kleine wie große Unternehmen ihren Blick auf das Thema Nachhaltigkeit schärfen und die Reduzierung von Emissionen vorantreiben können. Zu den Berliner Climate-Tech-Start-ups, die solche Lösungen für den Klimaschutz anbieten, gehört auch The Climate Choice. Erst kürzlich wurde das im April 2020 gegründete Start-up von der Europäischen Kommission und dem europäischen Verband der mittelständischen IT-Unternehmen mit dem „Best Digital Solution“-Preis ausgezeichnet.
„Ich bin seit über zehn Jahren im Bereich Klima und Unternehmertum unterwegs und habe das dringende Verlangen, dazu beizutragen, dass wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen“, erklärt die Gründerin und Geschäftsführerin des jungen Unternehmens, Lara Obst. „Zusammen mit meinen Mitgründern Yasha Tarani und Rey ­Farhan habe ich mir daher die Frage gestellt, welche Herausforderung Unternehmen jetzt am dringendsten bei ihrer Klimatransformation bewältigen müssen – und das ist ganz klar die Dekarbonisierung ihrer Lieferketten.“
Dort entstehen, so Untersuchungen, unter anderem durch eingekaufte Produkte und den Service der Lieferanten um die 90 Prozent der Gesamt-emissionen. Diese können von Unternehmen aber nicht direkt selbst dekarbonisiert werden. „Um dieses Problem zu lösen und die Zusammenarbeit von Unternehmen mit ihren Lieferanten an Klimazielen zu unterstützen, haben wir die nun ausgezeichnete Climate Intelligence Platform entwickelt“, erklärt Lara Obst. „Das spezialisierte Software-as-a-Service-Tool bietet unseren Kunden einen strukturierten und skalierbaren Prozess zur Erfassung und zum Management klimabezogener Lieferantendaten“, fügt die Gründerin hinzu.

Emissionen messen, melden, registrieren

Es ist nicht das einzige Start-up in der Hauptstadt, das Firmen erfolgreich dabei hilft, innovative Klimalösungen umzusetzen. Auch das schon länger am Markt agierende Berliner Start-up Plan A bietet eine Software-as-a-Service-(SaaS)-Tool-Plattform an, die es Unternehmen ermöglicht, ihre Emissionen zu messen, zu melden und zu reduzieren und gleichzeitig ihre ESG-Leistung zu verbessern. Kunden des im Jahr 2017 gegründeten Start-ups kommen mittlerweile aus mehr als 20 Branchen.
„Unsere Software versetzt Unternehmen in die Lage, ihre Kohlenstoffbilanz zu verwalten und gleichzeitig ihre negativen Auswirkungen auf den Planeten zu mindern, was sie zu Vorreitern bei der Dekarbonisierung und dem nachhaltigen Wandel unserer Wirtschaft macht“, sagt Lubomila
Jordanova, Gründerin von Plan A. „Dabei ist unsere SaaS-Plattform modular aufgebaut. So können unsere Kunden je nach Branche, Unternehmensgröße, Anzahl der Tochtergesellschaften, Regionen, verfügbaren Daten und abzudeckenden Emissionsbereichen – den sogenannten Scopes 1, 2 und 3 – flexibel Plug-and-Play-Module hinzubuchen.“
Nach Überzeugung von Jordanova spielen die Innovationen sowie das antizipierende und teils wagemutige Agieren von Start-ups eine zentrale Rolle, um die Herausforderungen des Klimawandels und die Lösungen dafür auf Unternehmens-ebene zusammenzubringen. Dies ist auch deswegen wichtig, weil der Druck auf Unternehmen jeder Größe zunimmt, ihre eigene Dekarbonisierung voranzutreiben. Dafür sorgt unter anderem die Europäische Union (EU). Die EU-Kommission verpflichtet im Rahmen der EU-Taxonomie-Richtlinie Unternehmen mit mehr als 40 Mio. Euro Umsatz und 250 Mitarbeitern seit diesem Jahr dazu, Informationen zur Nachhaltigkeit zu veröffentlichen. Ab dem 1. Januar 2026 sollen auch kleine und mittlere Unternehmen dazu verpflichtet werden.
„Wer zum Beispiel Kapital von Banken oder Investoren erhalten möchte, sollte sich schon heute mit dem Thema Nachhaltigkeitsreporting auseinandersetzen“, rät Melina Hanisch, Fachreferentin Start-ups und Finanzierung bei der IHK Berlin. „Perspektivisch ist es aber für alle kleinen und mittleren Unternehmen empfehlenswert, sich rechtzeitig an Fragen rund um dieses Thema heranzutasten, um vorbereitet zu sein, wenn es gesetzliche Regelungen verlangen.“
Viele Unternehmenslenker werden überrascht sein, wie viele smarte Softwarelösungen Berliner Start-ups aus dem Bereich Climate Tech mittlerweile für die unterschiedlichsten Anwendungszwecke entwickelt haben. Die Bandbreite ist riesig, angefangen bei einer nachhaltigen Letzte-Meile- Logistik und der dazugehörigen Software für die optimale Routenplanung über unterschiedliche Soft- und Hardwarelösungen zur Erhöhung der Energieeffizienz in der Produktion bis hin zur ­Messung des CO2-Fußabdrucks von Einzelhändlern.

Nachhaltigkeit in alle Prozesse einbeziehen

So setzt etwa das im Jahr 2020 gegründete ­Berliner Start-up Vaayu Tech auf künstliche Intelligenz und Machine Learning, um aus einer Vielzahl von Datenpunkten aus Produktion, Vertrieb und Logistik den CO2-Fußabdruck von Einzelhändlern zu berechnen, zu bewerten und Möglichkeiten für die Reduktion von Emissionen aufzuzeigen. Dagegen möchte das ­Berliner Start-up mit dem Namen Clime Unternehmen unabhängig von ihrem Kundenstamm mit ihrer Software dabei unterstützen, eine nachhaltige Betriebskultur aufzubauen, indem es den CO2-Fußabdruck aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter misst, reduziert und kompensiert. „Eine Klimatransformation innerhalb eines Unternehmens zu erreichen, ist
schwierig: Unternehmen müssen ihren Kern und ihre Kultur so umgestalten, dass Nachhaltigkeit in alle Entscheidungen und Prozesse einbezogen wird“, weiß Jannis Possekel, einer der Gründer des Berliner Start-ups. „Tatsächlich scheitern 70 Prozent aller gescheiterten Transformationsprozesse aber an der mangelnden Einbeziehung der Belegschaft.“ Auch diesen Aspekt dürfen Berliner Unternehmen auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit also nicht vergessen.
von Jens Bartels