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Unternehmen wollen Flexibilität
Aktuelle Umfrage der IHK: Berliner Wirtschaft gewinnt bei der Digitalisierung an Dynamik, die Herausforderungen aber bleiben vielschichtig
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Die Flexibilisierung von Arbeitsmodellen und Unternehmensprozessen ist für 74 Prozent der Berliner Unternehmen ein Hauptgrund für die Digitalisierung, ein Plus von 16 Prozent zum Vorjahr. Als weitere Top-Motive werden die Realisierung von Kostensenkungspotenzialen (42 Prozent, plus neun Prozent) sowie die Kundenbindung (41 Prozent, plus sieben Prozent) genannt. Dies geht aus der jährlichen Digitalisierungsumfrage der IHK hervor, an der sich zwischen November und Dezember vergangenen Jahres knapp 300 Berliner Betriebe beteiligt haben.
Bei knapp drei Viertel der Unternehmen kommen Cloud-Lösungen zum Einsatz. Die Potenziale von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) werden mittlerweile von vielen Unternehmen erkannt. So kommen bei 14 Prozent der Betriebe bereits KI/ML-Lösungen zum Einsatz. Weitere 25 Prozent geben an, dies für die nächsten drei Jahre geplant zu haben. Ebenso bemerkenswert ist der relative Sprung bei 5G-Campusnetzen. Gaben 2021 lediglich 0,5 Prozent der Berliner Unternehmen an, 5G-Campusnetze einzusetzen, ist dieser Anteil nun auf sieben Prozent angestiegen.
Fachkräfte dringend benötigt
Gleichzeitig stellt die digitale Transformation Unternehmen vor vielschichtige Herausforderungen. Die Abhängigkeit von einzelnen externen Lösungen und Anbietern wie beispielsweise Microsoft sowie fehlende zeitliche Ressourcen (je 35 Prozent) werden von den Unternehmen in diesem Jahr als die größten Herausforderungen bei der Digitalisierung gesehen, noch vor dem Kosten- und Investitionsaufwand (34 Prozent).
Gut ein Fünftel der Unternehmen sieht den Mangel an IT-Fachkräften als große Herausforderung, und sogar 39 Prozent der Unternehmen geben an, dass fehlende IT-Fachkräfte ein Haupthemmnis für die Verbesserung der Cybersicherheit darstellen. Zudem sehen die Betriebe Ausbaubedarf bei den digitalen Kompetenzen von Führungskräften und Mitarbeitenden, insbesondere bei Grundkompetenzen wie dem Verständnis digitaler Prozesse und Denkweisen (56 Prozent), dem Umgang mit Technologien (47 Prozent) sowie den Themen Datenschutz und IT-Sicherheit (44 Prozent).
Politik und Verwaltung sind gefragt
Bei allem digitalen Fortschritt der Berliner Wirtschaft braucht es die Politik und Verwaltung als starke Partner, um bessere Rahmenbedingungen für die Digitalisierung sowie ein Ökosystem für digitale Innovationen zu schaffen. Die Bereitstellung leistungsfähiger Breitbandinfrastruktur bleibt dabei weiterhin die Kernforderung der Unternehmen an die Politik (53 Prozent, 9 Prozent weniger als im Vorjahr). Das dringliche Anliegen, unternehmensbezogene Verfahren der Verwaltung zu digitalisieren und in einem Portal zusammenzufassen, ist im Vergleich zu den Bundesergebnissen bei Berliner Unternehmen noch einmal deutlich ausgeprägter (42 Prozent gegenüber 30 Prozent).
Im Bereich IT-Sicherheit wünschen sich Unternehmen von staatlicher Seite vor allem Unterstützung bei rechtlichen Fragen wie beispielsweise Informationen zu gesetzlichen Sicherheits- und Datenschutzstandards oder bei Haftungsfragen. Daneben besteht Informations- und Beratungsbedarf bei der Suche nach vertrauenswürdigen IT-Dienstleistern, bei Risikoanalyen und Lagebildern sowie bei Maßnahmen zur Vorbeugung von beziehungsweise dem Umgang mit IT-Sicherheitsvorfällen.
Aus den Umfrage-Ergebnisse lässt sich außerdem ableiten, dass für Unternehmen die Themen Digitale Souveränität, Open Source und Open Data weiter an Bedeutung gewinnen. Die Landespolitik sollte daher bei den angekündigten Strategien zu Open Source und Open Data die Wirtschaft mit ins Boot holen und dabei helfen, die digitale Vorreiterrolle Berlins weiter auszubauen. Der Fachkräftemangel sowie die Qualitätssteigerung in der (digitalen) Aus-, Fort- und Weiterbildung sind weitere Großbaustellen, die Politik und Wirtschaft in der Hauptstadt gemeinsam meistern müssen.
Aus diesem Grund wird die IHK Berlin in den kommenden Monaten gemeinsam mit dem Ehrenamt eine Digitaloffensive 2.0 entwickeln, die digitalpolitische Problemfelder aufzeigen und entsprechende Handlungsempfehlungen an die Politik aussprechen wird.
von Henrik Holst