Fachkräfte

Azubis, wo seid ihr?

Die Bilanz ist bitter: Berliner Ausbildungsbetriebe können laut IHK-Umfrage in vielen Fällen ihre Plätze nicht besetzen. Besonders betroffen ist die Industrie.
Die IHK-Aus- und Weiterbildungsumfrage macht deutlich: Berliner Ausbildungsbetriebe stehen vor großen Herausforderungen. Ausbildungsplätze werden trotz unterschriebener Verträge nicht angetreten, fehlende Bewerbungen und mangelnder Wohnraum für Azubis erschweren die Ausbildungssituation. Die IHK Berlin hat durch IHK-Präsident Sebastian Stietzel Anfang Juli die Ergebnisse der Umfrage in einer Pressekonferenz vorgestellt.
254 aktive Ausbildungsunternehmen haben sich im Mai 2023 an der Befragung beteiligt. Die Mehrheit der befragten Betriebe sind kleine und mittlere Unternehmen und stammen aus der Industrie (17 Prozent), Gastronomie und Beherbergung (13 Prozent) und Handel (11 Prozent). Sie haben fünf bis 15 Azubis und bilden am häufigsten in kaufmännischen Berufen aus (56 Prozent). 43 Prozent der Ausbildungsbetriebe konnten nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Insbesondere die Industrie war von der Nichtbesetzung betroffen. Jedes fünfte Unternehmen konnte nicht alle Plätze besetzen. Fast ein Drittel der befragten Ausbildungsbetriebe gab an, dass sie überhaupt keine Bewerbungen auf ihre ausgeschriebenen Ausbildungsstellen erhalten haben. Diese Bewerbungssituation hat sich im Vergleich zu 2017 um elf Prozent verschlechtert. Damals hatten 17 Prozent der Unternehmen angegeben, keine Bewerbungen erhalten zu haben. Außerdem hat ein Drittel der Unternehmen angegeben, dass ihre Azubis, obwohl den Ausbildungsvertrag schon unterzeichnet, ihn nicht angetreten haben.“
Die IHK sieht hier die Politik in der Pflicht, die Ankündigungen des Berliner Koalitionsvertrages zeitnah umzusetzen. Berufsorientierung muss in allen Schulformen- auch in den Gymnasien – ab der 5. Klasse implementiert und konzeptionell gestärkt werden. Positives Ergebnis der Befragung ist, dass die Unternehmen ihre Ausbildung attraktiver für zukünftige Auszubildende gestalten und vielfältige Hilfe anbieten, um mangelnder Ausbildungsreife zu begegnen. 56 Prozent der Unternehmen haben flache Hierarchien in ihrem Unternehmen etabliert, und 44 Prozent haben ihren Rekrutierungs- und Einstellungsprozess verändert und bieten ihren Azubis materielle oder finanzielle Anreize. 48 Prozent reagieren aktiv auf mangelnde Ausbildungsreife von Schulabgängern und bieten unter anderem neben Einstiegsqualifizierungen auch eigene Nachhilfeangebote im Betrieb an.
Auffällig ist, dass ein Viertel der Ausbildungsunternehmen nicht ihre Ausbildungsplätze in der Statistik der Agentur für Arbeit melden und 15 Prozent von ihnen nur einen Teil der offenen Ausbildungsplätze melden. Die Statistik, die als Bezugsquelle auch in der Diskussion um die Einführung der Ausbildungsumlage herangezogen wird, stellt damit die vorhandenen Ausbildungsplätze nicht repräsentativ dar. Berliner Ausbildungsunternehmen bieten mehr Ausbildungsplätze an. Dies muss für potenzielle Azubis sichtbar gemacht werden. Die Suchmaschine ausbildung.berlin bietet hier eine Alternative und bildet alle Ausbildungsangebote gebündelt an, die Ausbildungsunternehmen digital auf Firmenwebseiten oder anderen Jobbörsen sichtbar machen.
Die derzeitige Diskussion, dass zu wenig Ausbildungsplätze angeboten werden, geht am eigentlichen Problem – dem Mismatch zwischen Ausbildungsbetrieb und Azubi – vorbei. Hier hilft auch nicht die Einführung einer Ausbildungsumlage, sondern Berufsorientierung an Schulen unter Mitarbeit der Unternehmen. Schüler und Schülerinnen müssen auf praktische Weise Berufe kennenlernen und sich hierzu informieren können.
Ein anderer großer Hemmschuh für die Besetzung von Ausbildungsplätzen ist der mangelnde, nicht bezahlbare Wohnraum für Azubis. 60 Prozent der Betriebe sehen die Wohnraumsituation als Problem bei der Besetzung. Unternehmen berichten, dass sie auf Messen interessierte Jugendliche für ihren Ausbildungsbetrieb gefunden haben, aber diese letztlich den Ausbildungsvertrag nicht unterschreiben, da sie keine bezahlbare Wohnung finden.
von Yvonne Meyer