Agenda
„Baustelle Verwaltung“
Die Wahlprüfsteine der IHK Berlin machen deutlich, dass die dringlichsten Handlungsfelder der Stadt immer noch weitgehend brachliegen.
Im Januar präsentierten IHK-Präsident Sebastian Stietzel (r.) und Hauptgeschäftsführer Jan Eder der Öffentlichkeit die Forderungen der Wirtschaft
© Amin Akhtar
Als der grüne Finanzsenator Daniel Wesener vor einiger Zeit Gast beim Wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK Berlin war, präsentierte er stolz eine Zahl: Die Berliner Finanzämter sind die schnellsten in der Bundesrepublik. Durchschnittlich 31 Tage dauere die Bearbeitung der Steuererklärungen. Dagegen konstatierte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder, dass es bis zu 42 Tage dauere, bis Unternehmensgründer in der Hauptstadt eine Steuernummer erhalten.
Fachkräftesicherung hat hohe Bedeutung
So kann es niemanden verwundern, dass das Thema „effiziente Verwaltung“ nicht nur im Wahlkampf vor der Wiederholungswahl am 12. Februar eine unerwartet große Rolle spielt, sondern auch im Mittelpunkt der IHK-Positionen steht. Diese präsentierten IHK-Präsident Sebastian Stietzel und Hauptgeschäftsführer Jan Eder am 5. Januar der Öffentlichkeit. „Die Leistungsfähigkeit der Berliner Verwaltung war, ist und bleibt die größte Baustelle in Berlin“, so Stietzel. Er bezog sich dabei auf eine aktuelle Umfrage unter den Unternehmerinnen und Unternehmern aus dem IHK-Ehrenamt, also einem breiten Querschnitt der Berliner Wirtschaft. Verwaltungsmodernisierung kam mit 64 Prozent auf Platz eins der Themen mit höchster Bedeutung, gefolgt von Fachkräftesicherung (43 Prozent) und Wohnungsbau (40 Prozent). Wobei die letzten beiden Themen zusammenhängen – der Zuzug von benötigten Arbeitskräften nach Berlin wird durch fehlende Wohnungen ausgebremst. Ideologische Projekte wie die Ausbildungsplatzabgabe der rot-grün-roten Koalition helfen den Firmen keineswegs, unterstrich Jan Eder. Der Wille der Unternehmen, den wachsenden Arbeitskräftebedarf durch Entwicklung von Nachwuchskräften zu decken, wird durch die Abgabe nicht gelöst. Hier geht die IHK selbst voran und investiert im Digital Education Lab in zukunftsorientierte Lösungen für die duale Ausbildung.
Welcher wirtschaftspolitischen Grundpfeiler es für die reguläre Legislaturperiode von 2021–2026 bedarf, das hat die IHK Berlin über ihre Wahlprüfsteine vorgestellt. Diese Wahlprüfsteine, die in einem umfangreichen Beteiligungs-,
Beratungs- und Abwägungsprozess mit der Berliner Wirtschaft erarbeitet und vorgestellt wurden, wurden nun für die Wiederholungswahl upgedatet. Dabei standen im Schwerpunkt die Bewertung der bisherigen Arbeit der Berliner Landespolitik in der begonnenen Legislatur und die Frage, welche Prioritätensetzung die Wirtschaft nun in der Politik sehen will.
Begrüßt wurde von den IHK-Vertretern, dass endlich der Bereich Wirtschaftsverkehr im Berliner Mobilitätsgesetz angegangen wurde. Von der Idee über das Konzept zum Beschluss und zur Umsetzung führt erfahrungsgemäß ein weiter Weg, wobei wir wieder bei der Verwaltung wären. Es fängt schon im Kleinen an, etwa bei der Genehmigung und Einrichtung von Lieferzonen für die Gewerbetreibenden.
Und im Großen wurde die Agenda des erst im Dezember 2021 gewählten Senats bald durch die Weltpolitik überrannt. Die Megathemen Energie, Klima und Umwelt sind für die Unternehmerinnen und Unternehmer der Berliner IHK genauso zentral wie für die Gesamtgesellschaft. Energie muss für die Unternehmen sicher und bezahlbar bleiben, vorhandene Maßnahmen zum betrieblichen Klimaschutz müssen stärker unterstützt und die erforderliche Infrastruktur für zukünftige Bedarfe (Geothermie, Wasserstoff, Abwärme etc.) weiterentwickelt werden, lesen wir in den Wahlprüfsteinen. Nicht zuletzt plädieren die Wirtschaftsvertreter für eine wertegeleitete und an Nachhaltigkeit orientierte Außenwirtschaft der Hauptstadt.
von Dr. Mateusz Hartwich