Fachkräfte | Integration
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Offen für neue Talente
Unternehmen aus der Hauptstadt möchten Zugewanderte einstellen. Bürokratie und Rechtsunsicherheiten bremsen sie oftmals aus.
Engineering Tutor Helping Student During Teaching Session
© GETTY IMAGES / Franziska & Tom Werner
Eine deutliche Mehrheit der Berliner Unternehmen möchte einen Beitrag zur Integration von neu zugewanderten Menschen leisten und zudem bewusst eine vielfältigere Belegschaft aufbauen. Die Umfrage „Neue Perspektiven, neue Talente“ von IHK und VBKI befragte im Herbst 2022 Berliner Unternehmen zu ihren Erfahrungen mit der Beschäftigung und Ausbildung von neu zugewanderten Menschen aus Nicht-EU-Ländern, die innerhalb der letzten sieben Jahre nach Deutschland gekommen sind. Demzufolge bewerten auf einer Skala von eins (sehr schlecht) bis zehn (sehr gut) knapp die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen ihre Erfahrungen als sehr gut, jeder achte Betrieb vergab sogar den Maximalwert zehn. Sechs von zehn Unternehmen hätten gerne mehr Bewerbungen von Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte.
„Eine Mehrheit der Unternehmen berichtet von positiven Praxiserfahrungen“, resümiert VBKI-Präsident Markus Voigt. Die Umfrage hätte aber auch ergeben, dass fehlende Bleibeperspektiven, bürokratischer Aufwand und fehlende Unterstützung durch Behörden gerade für kleine und mittlere Unternehmen ein Hindernis bei der Einstellung, gerade von Geflüchteten, darstellen. So werden die Betriebe im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst aktiv. Zwei Drittel begleiten beispielsweise die Integration der Menschen mit unterstützenden Maßnahmen, wie etwa Deutschkursen auf Firmenkosten (27 Prozent), Mentorenprogrammen (24 Prozent), oder nehmen externe Hilfestellungen von sozialen Organisationen in Anspruch (24 Prozent).
Hinsichtlich der Bleibeperspektive von Menschen, die schon länger in Deutschland leben, wünschen sich die befragten Firmen einfachere Beschäftigungsbedingungen (65 Prozent). Von mehr Rechtssicherheit in der Ausbildung (zum Beispiel durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu Beginn der Ausbildung) oder der Aufhebung von Arbeitsverboten für bereits in Deutschland lebende Menschen versprechen sich ebenfalls jeweils mehr als die Hälfte der Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter eine bessere Arbeitsmarktintegration. Knapp zwei Drittel wünschen sich darüber hinaus eine Ausweitung und qualitative Verbesserung des Angebots an beruflichen Sprachkursen.
„Wir lernen viele motivierte Kandidaten mit Flucht- und Migrationshintergrund kennen, die gut zu unserem Unternehmen passen würden. Wir wünschen uns, dass der Staat diese Potenziale mit besseren Sprach- und Integrationskursen unterstützen würde“, bringt es Marcus Butt, Geschäftsführer der Moll Marzipan GmbH, auf den Punkt. Sebastian Stietzel, Präsident der IHK, sieht die Politik ebenfalls stärker in der Pflicht: „Integration in Arbeit ist eine wesentliche Grundvoraussetzung, damit Integration insgesamt gelingen kann. Die Berliner Wirtschaft hat durch Initiativen wie den Jobmessen für Geflüchtete bereits gezeigt, wie groß die Offenheit in den Unternehmen für Menschen jeder Herkunft ist. Politik und Verwaltung müssen diese Offenheit und die Anstrengungen der Wirtschaft aber auch unterstützen.“
Integration durch qualifizierte Arbeit
Betriebe, die Menschen mit Einwanderungsgeschichte aus Nicht-EU-Ländern (eingewandert seit 2015) beschäftigen*
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Mehr Mitarbeitende werden gebraucht
Motive, Menschen mit Migrationshintergrund in Ausbildung oder Arbeit einzustellen, Mehrfachnennungen möglich*
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Betriebe ergreifen teilweise Maßnahmen
Angebote zur Integration von Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte, Mehrfachnennungen möglich*
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An der Umfrage haben sich auch Unternehmen beteiligt, die bislang keine Neuzugewanderten eingestellt haben. Viele würden gerne Menschen mit Fluchthintergrund einstellen, haben aber bislang keine Bewerbungen aus der Gruppe erhalten (50 Prozent) – ein deutlicher Wink für die Jobcenter und Agenturen für Arbeit. Fehlende Qualifikationen von Bewerberinnen und Bewerbern spielen hierbei eine untergeordnete Rolle (14,3 Prozent). Trotz hoher Motivation und Offenheit gibt es dennoch Bedenken. Knapp ein Drittel der Unternehmen befürchtet bei der Einstellung von Neuzugewanderten einen voraussichtlichen Mehraufwand etwa durch mehr Bürokratie oder eine intensivere Betreuung.
Hier muss man differenzieren, und den beratenden Stellen kommt die Rolle zu, Unternehmen entsprechend zu informieren. Liegt zum Beispiel eine Aufenthaltserlaubnis vor, wie bei anerkannten Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigen, ist ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt für die Dauer der Aufenthaltserlaubnis gegeben. Anders sieht es bei geduldeten Personen aus, bei denen oft Rechtsunsicherheit herrscht. Durch das Chancen-Aufenthaltsrecht gibt es seit dem 1. Januar 2023 für gut integrierte Geduldete die Aussicht auf eine langfristige Bleibeperspektive. Dadurch kann auch das Arbeitskräftepotenzial von langjährigen Geduldeten aktiviert werden, die ihren Weg in den Arbeitsmarkt noch nicht gefunden haben.
Neu seit 1. Januar 2023: Chancen-Aufenthaltsrecht(§ 104c AufenthG)Mit dem ersten Teil des neuen Migrationspakets der Bundesregierung wurde für Geduldete, die sich schon lange in Deutschland aufhalten, eine neue Möglichkeit für einen langfristigen Aufenthalt eingeführt:
- Bedingung: Die Person befindet sich zum 31. Oktober 2022 seit mindestens fünf Jahren in Deutschland
- Chancen-Aufenthaltsrecht nach § 104c AufenthG soll für 1,5 Jahre gewährt werden, um Voraussetzungen für langfristigen Aufenthalt zu schaffen
- Anschließende Aufenthaltserlaubnis bei nachhaltiger Integration ist nach § 25a oder § 25b AufenthG möglich
- Informations-PDF vom Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge zum Download
Von Julian Algner