BW 05/2022 - Agenda

Wenn der Paketbote fünfmal klingelt

Homeoffice-Arbeiter erleben hautnah, wie häufig Lieferdienste vorfahren. Es gäbe Lösungen, doch dafür braucht es Pragmatismus und Innovationsfreude
Was früher nur der berentete Nachbar kannte, ist in Zeiten von Corona und Homeoffice für viele offensichtlich: Über den Tag hält nahezu jeder Paketzusteller einmal vor der Tür. Wenn die Zusteller mitbekommen, wer ein Home-office-Arbeiter ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, gleich mehrfach am Tag von DHL, Hermes, DPD, UPS, Amazon & Co. rausgeklingelt zu werden, exponentiell an. Während die Anbieter noch an Drohnen und Ähnlichem tüfteln, liegen für den pragmatischen Bürger zwei Lösungsmöglichkeiten nahe: eine Paketsammelstation im Kiez, die von allen Lieferwagen angefahren wird und von wo aus anbieterunabhängige Zusteller die umliegenden Häuser beliefern; oder eine Sammelstation in der Nähe mit 24-Stunden-Abholung via App. Das erste Konzept heißt Mikrohub, das zweite Paketstation.
Aber Mikrohubs scheitern bisher an verfügbaren Flächen oder deren Nutzungsgenehmigung, vor allem aber an der Bereitschaft der Paketzusteller, ein gemeinsames Lager zu nutzen und insbesondere die Zustellung beim Empfänger anbieterneutral zu gestalten. Der Schutz der Kundendaten ist das Argument, das Branding aber vermutlich der Grund. Der Kunde soll sein Paket eben von einem gelb, hellblau, braun gekleideten Fahrer erhalten. Doch wie zukunftsfähig ist dieses Szenario?
Realistischer ist der Weg über die Paketstation. Nicht zu verwechseln mit den Paketshops oder Postfilialen mit den Menschenschlangen vor der Tür und den Fahrzeugen von Zustellern und Abholern in der zweiten Reihe. Gemeint sind die automatisiert funktionierenden Paketstationen an Tankstellen oder auf Supermarktparkplätzen, wo der Endkunde zeitlich unabhängig seine Pakete abholen und Rücksendungen aufgeben kann. Aber auch hier fehlt es an Pragmatismus – DHL hier, DPD dort und Amazon wo ganz anders. Die DHL wirbt inzwischen per Postmailing mit lukrativen Zusatzeinnahmen und erhöhtem Kundennutzen, wenn man wenige Quadratmeter seines Grundstücks für eine solche (anbietergebundene) Station zur Verfügung stellt.
Innovativer und nachhaltiger geht es in Österreich: Dort hat sich ein Anbieter für anbieterneutrale Paketstationen starkgemacht und per Schnittstelle zu den jeweiligen Zustellern sowohl die Abholung als auch die Einlieferung jeglicher Pakete ermöglicht. Der (notwendige) Wettbewerb bleibt erhalten, denn die Verteilung ist nicht festgelegt, sondern hängt schlicht davon ab, wer gerade wie viele Pakete auszuliefern hat – Branding inklusive. Das wäre auch in Berlin eine pragmatische Zwischenlösung für öffentliche Flächen – z. B. des ÖPNV –, bis ein (digitaler) Zauber in unserer Abwesenheit die Pakete direkt in die Wohnung legt.
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