BW 03/2022 - AGENDA
Fitnessprogramm für die Berliner Hochschulverträge
Wenn Forschungsergebnisse den Standort voranbringen sollen, muss der Berliner Mittelstand bei der Neuverhandlung eingebunden werden
Sebastian Stietzel
Vize-Präsident der IHK Berlin, Vorsitzender des IHK-Kompetenzteams Mittelstand und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments
© Christian Kielmann
Das Land Berlin verhandelt regelmäßig mit den staatlichen Hochschulen am Standort das Vertragswerk, das die Höhe der Landeszuschüsse sowie die im Gegenzug zu erbringenden Leistungen festschreibt. Die Verträge umfassen eine Laufzeit von fünf Jahren und enden aktuell im Dezember 2022. Da die Vereinbarungen zwischen Land und Hochschulen den parlamentarischen Prozess durchlaufen müssen, um über einen Senatsbeschluss wirksam zu werden, wird es höchste Zeit, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und das weitere Vorgehen zu besprechen.
Die Zeichen für die vertragliche Basis ab 2023 stehen nicht günstig. Als problematisch erweist sich, dass mehrere Hochschulleitungen vakant sind oder erst kürzlich neu besetzt wurden. Gleiches gilt für Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote, die qua Amt die neue Verhandlungsführerin des Landes Berlin ist. Das Metier der Hochschulpolitik ist ihr zwar vertraut, aber eben nicht die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, die den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Berlin prägen. Um sie mal eben durchzuwinken, sind die Hochschulverträge aber gänzlich ungeeignet – zumal das Instrument bei einer aktuellen Evaluierung nicht gut weggekommen ist: zu bürokratisch, überkomplex, schlecht handhabbar.
Insgesamt drängt sich die Frage auf, ob es nicht besser wäre, die aktuellen Hochschulverträge einfach ein Jahr länger laufen zu lassen. Die gewonnene Zeit können nicht nur „die Neuen“ am Verhandlungstisch für ihre Vorbereitung nutzen. Es braucht auch eine Runderneuerung – ein Diät- und Fitnessprogramm – für die Vertragsgestaltung zwischen Land und Wissenschaft. Aus Sicht der Wirtschaft muss der Transfer von Forschungswissen in die zügige Anwendung ein festgelegtes Ziel sein, das – anders als bisher – konkret gefasst und mit (wahlweisen) Indikatoren hochschulin-dividuell evaluierbar ist. Auch die Lehrerbildung steht unter dem Aspekt der Fachkräftesicherung im Fokus der Wirtschaft. Nicht nur die Zahl der Lehramtsanwärter, sondern auch die Qualität des Studiums muss sich neuen Zielen stellen und budgetiert sein.
Eine Entscheidung zur Gestaltung der Hochschulverträge sollte eher von Qualität als von Geschwindigkeit geprägt sein. Der Innovationsstandort Berlin wird nur von den neuen Hochschulverträgen profitieren, wenn diese der Wissenschaft auch mit Blick auf den Innovationspartner Wirtschaft ambitionierte und erreichbare Ziele setzen. Dafür braucht es finanzielle Anreize, Flexibilität in der Umsetzung, klare Indikatoren und kontinuierliche Verbindungen in die Wirtschaft.
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