BW 03/2022 - AGENDA
Dämpfer für den Aufschwung
Auch wenn die Rückgänge in den meisten Branchen nicht dramatisch sind, ist der Optimismus vom Herbst insgesamt wieder der Skepsis gewichen
Das konjunkturelle Klima in der Metropolregion Berlin-Brandenburg kühlt zu Beginn des Jahres ab. Im Vergleich zum vergangenen Herbst sinkt der Konjunkturklimaindex um sechs auf 116 Punkte. Hatte sich die Stimmung in der Wirtschaft seit dem Herbst 2020 von Umfrage zu Umfrage leicht aufgehellt, erfährt diese nun einen Dämpfer. Die Hoffnung auf einen ungebrochenen Erholungstrend, der rasch in einen Aufschwung übergeht, muss zwar nicht aufgegeben, aber aktuell zurückgestellt werden.
Der konjunkturelle Gegenwind hatte sich im Verlauf des vierten Quartals des zurückliegenden Jahres immer stärker aufgebaut: Die schwer einschätzbaren Folgen der Omikron-Welle und der Maßnahmen zu deren Eindämmung, gepaart mit den offenkundiger werdenden Sekundärfolgen der Pandemie, namentlich der Krise der Lieferketten und dem Mangel an Arbeitskräften sowie den rasant gestiegenen Preisen für Rohstoffe und Energie, haben die wirtschaftliche Dynamik vieler Branchen gebremst, in einigen Fällen sogar verringert. Mehr als jedes dritte Unternehmen ist in erheblichem Umfang von Lieferschwierigkeiten betroffen, ein weiteres Drittel spricht von mittlerer Betroffenheit. Knapp 50 Prozent der Unternehmen sind in erheblichem Umfang von steigenden Preisen betroffen. Weitere 32 Prozent werden in mittlerem Umfang von den Preissteigerungen getroffen. Es ist dies der stärkste Anstieg der Erzeugerpreise seit Beginn der statistischen Aufzeichnung in der Bundesrepublik. Besonders hart trifft es Industrie und Bauwirtschaft. Knapp drei Viertel der Unternehmen berichten von Ertragseinbußen oder steigenden Kosten. Verzögerungen in den Betriebsabläufen führen zu längeren Wartezeiten oder einem gänzlichen Stopp der Produktion. Für die Zukunft sehen die Unternehmer ein beträchtliches Risiko in der Entwicklung der Energie- und Rohstoffpreise.
© IHK Berlin
74 % der Unternehmen erleiden durch Preisanstiege oder Lieferschwierigkeiten Ertragseinbußen.
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56 % der Betriebe geben an, dass die Preisund Lieferprobleme aktuell zu längeren Wartezeiten führen.
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45 % der Befragten sagen, dass der Aufwand für die Planung in ihrem Unternehmen gestiegen ist. Konjunkturklimaindex
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Zwar verringert sich die Geschäftsdynamik nur in wenigen Branchen, doch gewinnt keine Branche im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich an Dynamik dazu. Die Industrie der Me-tropolregion schlägt sich angesichts der genannten Probleme gut, doch ist es noch ein weiter Weg zur Dynamik der Vorkrisenzeit. Zumindest stabil entwickeln sich die Geschäfte des Baugewerbes seit dem Herbst. Trotz rasant gestiegener Erzeugerpreise berichtet die Mehrzahl der Unternehmen von guten Geschäften. Die Geschäftsdynamik im Dienstleistungsgewerbe Berlin-Brandenburgs gibt leicht nach. Die Branche prägt die hiesige Wirtschaftsstruktur und bremst durch ihre zögerliche Erholung insgesamt die Konjunktur in der Region. Auch der Handel muss einen leichten Rückschlag verkraften. Konsumzurückhaltung und die fortschreitende Verlagerung vom stationären zum Onlinehandel setzen viele Händler weiterhin unter Druck. Massiv verschlechtern sich die Einschätzungen im Gastgewerbe. Die Branche bleibt weiterhin auf Corona-Hilfen angewiesen und braucht zügig eine belastbare Wachstumsperspektive.
Deuteten die Geschäftserwartungen im Herbst 2021 einen an Kraft gewinnenden Optimismus an, weicht dieser erneut skeptischen Erwartungen. Nur noch vier Punkte zählt der Indikator der Geschäftserwartungen nach zwölf Punkten im Herbst. Damit fällt die Zeitreihe wieder auf das Niveau um die Null-Linie, auf dem sie sich seit dem Herbst 2020 bewegte. In den Aussichten für die kommenden Monate heben Hoffnungen und Befürchtungen einander auf: Die aus Omikron resultierenden Risiken sind nur vage abschätzbar, wenn auch optimistischere Einschätzungen Raum gewinnen; die Lieferschwierigkeiten, Preisanstiegen und Fachkräftemangel geschuldeten Sorgen differieren nur wenig nach Branchen, und ihre voraussichtliche Dauer ist aktuell kaum seriös zu
schätzen.
von Christian Nestler