BW 01/2022 - Agenda

Gesamturteil ausreichend

Der Koalitionsvertrag der neuen Berliner Regierung enthält zwar einige richtige, wenngleich sehr vage Ansätze. Aber er setzt keinen Fokus auf den besonderen Berliner Mittelstand.
Ganze vier Mal hat es der Mittelstand – kleine und mittlere Unternehmen – wortwörtlich in das 157 Seiten umfassende Arbeitsprogramm der neuen Landesregierung geschafft. Nach dieser Ernüchterung haben wir genauer hingeschaut, welche der Forderungen aus dem Mittelstandscheck 2021 des Kompetenzteams es in den Koalitionsvertrag geschafft haben.
Immerhin: Acht von zwölf sind in irgendeiner Form adressiert, wenn auch oft nicht konkret genug. Hoffnung machen zum Beispiel der Ausbau von Lieferzonen und Mikro-Depots im Sinne des Wirtschaftsverkehrs sowie die Vorfahrt für die Breitband-Infrastruktur durch standardisierte Genehmigungsverfahren. Auch ein Bekenntnis zu Berlin als Tourismusstandort ist vorhanden, allerdings fehlt eine ganzheitliche und international strahlende Vision der Stadt für Tourismus, Ansiedlung und Zuzug.
Bei der Verwaltungsmodernisierung scheint – abgesehen von der geplanten Verfassungsänderung – im Rahmen der Koalitionsverhandlungen jedoch der Anspruch an eine fundamentale Veränderung unter die Räder gekommen zu sein. Die üblichen Buzzwords erwecken zwar den Anschein, das Thema zu priorisieren, jedoch fehlt Konkretes für einen großen Wurf. Die neue Position des Chief Digital Officer soll die Digitalthemen bündeln, wird aber keine erkennbar herausgehobene Stellung am Senatstisch haben und auch nicht in der Senatskanzlei angedockt sein. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die „analoge Modernisierung“ getrennt davon betrieben wird.
Mit Blick auf die Innovationsfähigkeit freut uns die Einlassung, die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern. Auch die ausbaufähigen Hochschulverträge werden genannt, wobei ein direkter Zusammenhang zur Ankurbelung des Transfers vermieden wird – ein Paradebeispiel für die vielen wachsweichen Formulierungen. Hoffen wir, dass durch den eigenwilligen Zuschnitt der Senatsressorts nicht nur einige wenige Branchen in den Genuss der Berliner Wissenschafts- Exzellenz kommen.
Die Innovationswilligkeit der Verwaltung soll durch Schulungen, Bündelung der Vergabestellen und eine „Kultur der Entscheidungsfreude“ innerhalb des gesetzlichen Rahmens erreicht werden. Das geht in die richtige Richtung. Eine Kulturveränderung kommt aber nicht von allein, weshalb wir uns ein klares Bekenntnis zur Total-Cost-of-Ownernship-Methode als Entscheidungskriterium und konkrete Umsetzungsidee bei der öffentlichen Vergabe gewünscht hätten. Gesamturteil: ausreichend. Es besteht noch die Möglichkeit, die Note bei der praktischen Umsetzung innerhalb der nächsten fünf Jahre zu verbessern. Die Wirtschaft steht dabei gern für Ideen und Lösungen zur Verfügung.

Kompetenzteam

Wenn Sie sich für unsere Arbeit interessieren, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf unter: ihk-berlin.de/kompetenzteam