Auf den Punkt

Berlin braucht bessere Bildung

Meinung
In der Kolumne „Auf den Punkt“ ­positionieren sich im ­monatlichen Wechsel Mitglieder des ­Präsidiums zu wirtschaftspolitischen ­Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht.
Zu den Preissteigerungen und der Energiekrise gesellt sich eine weitere Herausforderung für Berliner Unternehmen: der bildungsbasierte Fachkräftemangel
Eine Ausbildungsumlage für Berliner Unternehmen – mit diesem Plan hat uns die Arbeitssenatorin unlängst überrascht. Obwohl wir wissen, dass von den aktuell rund 15.000 Ausbildungsplätzen in Berlin noch immer 5.600 unbesetzt sind. Natürlich wird sich die IHK gegen diese Umlage einsetzen – damit Firmen, die keine Auszubildenden finden, nicht doppelt bestraft werden.
90 Prozent unserer Unternehmen bewerten die Bildung in der Stadt als mangelhaft. Die Ausbildungsbetriebe sehen die Folgen für die Ausbildungsfähigkeit mehr als deutlich: Ein Drittel bietet spezielle Nachhilfeangebote an. Leider zeigt der aktuelle IQB-Bildungstrend, dass die Schulqualität in der Hauptstadt weiter abnimmt: Fast die Hälfte der Berliner Kinder erreicht bei der Rechtschreibung heute nicht einmal mehr die Mindeststandards.
Weil ich als Unternehmer selbst aus der Bildungsbranche komme, lösen diese Zahlen große Sorgen aus. Das grundsätzliche Problem stellt sich allerdings schon vor dem Eintritt in die Schule: Immer mehr Kinder besuchen keine Kita und erhalten keine Sprachförderung. Das betrifft mittlerweile acht Prozent aller Berliner Kinder. Mehr als 3.000 Kinder starten also schon mit einem dramatischen Rückstand ihre schulische Karriere. Hier muss der Senat aktiv werden und den Kita-Ausbau wieder in Gang bringen.
Im Juni hat die IHK Berlin den Business-plan „Wirksame Bildung“ vorgelegt. Darin fordern wir bei der Politik jetzt einen proaktiven Umgang mit dieser Herausforderung ein. Damit junge Leute besser ins Berufsleben starten können, brauchen wir einen Neustart bei der Berufsorientierung. Und wir benötigen eine Digitalisierungsinitiative von der Kita über die Schule bis hin zur Ausbildung. Wir müssen von Anfang an in sprachliche Bildung investieren, in Einwanderungsgruppen für die duale Ausbildung werben und gute Netzwerke dafür bilden.
Schon jetzt engagieren sich viele Betriebe in unserer Stadt für die duale Berufsausbildung, und die IHK Berlin verstärkt ihren Einsatz durch eine groß angelegte Ausbildungskampagne. Mein großer Dank geht an dieser Stelle an die beteiligten Unternehmen und alle engagierten Ausbilderinnen und Ausbilder, die vielen ehrenamtlichen Prüferinnen und Prüfer und an diejenigen, die mit reichlich Aufwand für diese Form der Ausbildung durch Praktika und Schulpatenschaften werben. Gemeinsam können wir schon jetzt eine ganze Menge bewegen, und zwar ganz ohne Ausbildungsumlage.
Von Stefan Spieker
Geschäftsführer Fröbel International GmbH und Vizepräsident der IHK Berlin, wo er sich insbesondere für eine bessere Bildung engagiert