BW 04/2022 - AGENDA
Mehr als die Summe der Einzelteile
Berlin-Brandenburg gehört wirtschaftlich zusammen. Es ist höchste Zeit, dass Politik und Verwaltung ein aktives Metropolenmanagement starten
Sebastian Stietzel
Vize-Präsident der IHK Berlin, Vorsitzender des IHK-Kompetenzteams Mittelstand und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments
© Christian Kielmann
Wettbewerb ist unternehmerisch begrüßenswert und zwischen benachbarten Bundesländern auch nicht unüblich. Auf einem gemeinsamen Spielfeld wie einer Metropolregion ist Kooperation allerdings ein Muss. Die Metropolregion Berlin-Brandenburg ist Heimat für mehr als sechs Millionen Menschen und Standort für mehr als 470.000 Unternehmen. Etwa drei Millionen Erwerbstätige arbeiten, entwickeln und forschen hier. Durch das starke Wachstum Berlins und Brandenburgs gehört die Region zu den wirtschaftlich stärksten innerhalb Deutschlands.
Nicht nur in den Köpfen der Menschen, sondern auch bei den politischen Entscheidungsträgern scheint Kooperation aber noch nicht im Fokus zu stehen. Und das, obwohl etwa ein Sechstel der Erwerbstätigen Ein- oder Auspendler zwischen Berlin und Brandenburg sind und viele Institutionen bereits grenzüberschreitend agieren. Viele – vor allem infrastrukturelle – Herausforderungen sind unvermeidbar damit verknüpft.
Es scheint vor allem an Managementstrukturen der Entscheidungsfindung und -umsetzung oder schlicht eine formale Grundlage für die Zusammenarbeit der beiden Bundesländer zu fehlen. Damit steht die Region in einem starken Kontrast zu den Metropolregionen wie Hamburg oder Nürnberg, deren Träger Staats- und Kooperationsverträge geschlossen und arbeitsfähige Strukturen geschaffen haben.
Der im Sommer 2020 zwischen Berlin und Brandenburg verabredete strategische Gesamt-rahmen ist ein erster, aber auch lange überfälliger Schritt. Dieser darf nun nicht nur eine reine Absichtserklärung bleiben, sondern muss in konkrete Maßnahmen und Projekte übersetzt und umgesetzt werden. Dabei ist es wichtig, so agil zu bleiben, wie es die Start-ups der Region vormachen, um auf sich verändernde Rahmenbedingungen eingehen zu können.
Dringende Handlungsfelder sind die Fachkräftesituation, der Wohnungsmarkt, die Verkehrs- und Breitbandinfrastruktur, das Clustermanagement, die Ansiedlungspolitik sowie eine nachhaltige Energiestrategie. In diesen Bereichen kann keine der beiden Regionen allein erfolgreich agieren. Große Ansiedlungen wie Tesla und der Siemens-Campus sowie der Ausbau des gemeinsamen Flughafens zu einem Langstrecken-Hub funktionieren nur, wenn beide Länder an einem Strang ziehen.
Unsere Metropolregion steht in vielen Punkten in einem internationalen Wettbewerb. Dieser macht es notwendig, durch eine gezielte Kooperation mehr zu erreichen, als die Summe ihrer einzelnen Mitglieder zu leisten imstande sind. Die Wirtschaft von Berlin und Brandenburg kann es sich schon lange nicht mehr leisten, auf die administrativen Grenzen von Bezirken oder Bundesländern zu achten. Politik und Verwaltung müssen jetzt nachziehen.