BW 03/2021 – Branchen
Neuanfang im Test
Die IHK Berlin rief Experten und Branchenvertreter an einem virtuellen Tisch zusammen, um Strategien für die Zeit nach dem Lockdown zu entwickeln
Die sogenannte Durchimpfung der Gesellschaft wird noch einige Monate in Anspruch nehmen. Tools, die zur Normalisierung beitragen, wären deshalb hilfreich – besonders für die betroffenen Branchen wie Tourismus, Hotel- und Gastgewerbe sowie die Veranstaltungswirtschaft, aber auch für Betriebe, die ihren Mitarbeitern Testmöglichkeiten zur größtmöglichen Sicherheit anbieten wollen.
Zu diesem Thema fand in der IHK Berlin der virtuelle „Runde Krisentisch Corona“ statt. Auf der einen Seite berichteten ein regionaler Schnelltesthersteller und ein hier ansässiges Labor und Schnelltestzentrum über Möglichkeiten, Herstellungskapazitäten und Verfügbarkeiten von Schnelltests. Weiterhin stellte ein App-Anbieter seine Kontaktnachverfolgungs-App mit Schnittstellen zu Gesundheitsämtern vor. Auf der anderen Seite gab es einen regen Austausch mit Vertretern der besonders betroffenen Wirtschaftszweige über die Anwendungsmöglichkeiten solcher Schnelltests und Apps als Öffnungsperspektive für die Branchen.
„Antigen-Schnelltests können durch ihre Schnelligkeit und einfache Durchführung einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie und zur Normalisierung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens leisten“, betonte Dr. Jürgen Reiner, Prokurist des Instituts für Laboratoriumsmedizin Berlin.
Die Antigen-Schnelltests werden mittlerweile zum einen durch mobile Testteams (mit medizinisch geschultem Personal an festen Anlaufpunkten) oder bei Bedarf vor Ort in Einrichtungen eingesetzt. Auch immer mehr private Anbieter bieten inzwischen mobile Testteams und die Testung in Betrieben vor Ort oder bei Veranstaltungen an. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kündigte Mitte Februar für den März an, allen Bundesbürgern kostenlose Schnelltests anzubieten, testen soll geschultes Personal.
Einer der größten Probeläufe während der Pandemie fand im Januar mit dem Wahl-Parteitag der CDU Deutschlands in den Berliner Messehallen statt. Das sehr gut vorbereitete Testkonzept funktionierte, und es gab keine Ansteckungen während der Veranstaltung. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Apps in diesem Bereich, die bei der Bekämpfung der Pandemie eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Aus der Vielzahl von Ideen hat sich mittlerweile der Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit gegründet, der sich größtenteils aus Spenden und Fördermitteln finanziert. Die Apps dienen u.a. der Kontaktnachverfolgung, der automatischen Gästedatenspeicherung und -übertragung sowie der Datenverwaltung für die Gesundheitsämter über sogenannte API-Schnittstellen.
Durch regelmäßige Tests in Betrieben, analog zu Schulen, Kitas und Pflegeheimen, könnte es für alle Beteiligten eine größere Sicherheit geben. Studien zeigen folgendes Bild: Wenn man die Belegschaften der Betriebe zweimal pro Woche mit einem Antigentest zu Beginn der Arbeit testen würde, dann könnte man damit die Zahl der Neuinfektionen senken. Dies wäre ein wünschenswertes Szenario für Berlin in Form einer Anpassung der Landes-Teststrategie.
Der Berliner Senat arbeitet gerade an einem Konzept für den Re-Start, sprich das Wiederhochfahren der Wirtschaft und auch des Tourismus in einer Zeit nach dem Lockdown. Laut Robert Rückel, Mitglied des Ausschusses Tourismus und der Vollversammlung der IHK, sind hier schon einige Dinge ins Rollen gebracht worden. „Unter der Voraussetzung einer weiter sinkenden Inzidenzzahl hoffen wir auf einen kontrollierten Re-Start des hiesigen Tourismussektors im Frühjahr/Sommer. Leider kann aber auch hier niemand in die Glaskugel schauen“, so Rückel. Auch Innensenator Andreas Geisel hatte Anfang Februar Lockerungen in Aussicht gestellt (s. auch S. 10). . auch S. 10).
Für einen Re-Start sind auch die neuartigen Antigen-Selbsttests ein wichtiger Faktor. Seit Anfang Februar wurde der gesetzliche Rahmen für die Anwendung für den Eigengebrauch zu Hause geschaffen. Zugelassene Tests dieser Kategorie gab es bis dato allerdings noch nicht am Markt, werden in Deutschland aber in den kommenden Wochen erwartet. In diese neuartige Testform legen sowohl Politiker als auch Unternehmer große Hoffnung. Und zeitgleich soll die Testmethodik auch angenehmer werden: Mittlerweile befinden sich auch Tests in der Entwicklung, bei denen lediglich Nasensekret benötigt wird. Auch mit Gurgel- oder Speicheltests, die bislang eher als PCR-Tests bekannt sind, sowie sogenannten Lutschtests lassen sich Antigene im Schnellverfahren nachweisen. Allerdings fehlt auch hier noch die notwendige Zulassung.
Das Unternehmen Midge Medical hat den Selbsttest für zu Hause in eine sehr kompakte und sichere Form gebracht. Dazu Michael Diebold, Geschäftsführer der Midge Medical GmbH: „Unser bezahlbares Testkit für zu Hause hat die molekulare Power eines PCR-Tests in einem kompakten Format. Mit der Zulassung werden wir Ende des ersten Quartals beginnen und rechnen mit der CE-Kennzeichnung im zweiten Quartal.“
von Lars Mölbitz und Jürgen Schepers
3 Fragen an
<font color="#56BD66"> <b>Olli Hörn</b> </font>
<b>Geschäftsführer Innercircle GmbH</b> <br>
und Sprecher der Fachgruppe der Berliner Veranstaltungswirtschaft in der Berlin Music Commission
© OLLI HÖRN
BW: Wie ist die aktuelle Lage in der Veranstaltungswirtschaft?
Olli Hörn: Für uns ist die Lage deprimierend, da wir einen Auftragseinbruch von fast hundert Prozent haben. Dazu kommt die Herkulesaufgabe, den Mitarbeitern eine Perspektive aufzuzeigen, damit sie unsere Branche nicht verlassen.
Was erwarten Sie von der Politik, und wie läuft die aktuelle Zusammenarbeit?
Ich erwarte ein Zugehen auf unsere Branche und eine Zusammenarbeit, um gemeinsam einen Perspektivplan zu erarbeiten. Dazu bedarf es einer Fachgruppe aus der Branche, die die Politik entsprechend beraten kann.
Die Finanzhilfen müssen schneller und zeitnah fließen, da wir seit fast einem Jahr keine Einnahmen haben. Dazu wäre eine Pandemiestrategie bei Weiterbildungsmaßnahmen sinnvoll, um den Menschen eine Perspektive zu bieten und Fachkräfte aus- bzw. weiterzubilden und sie somit in der Firma zu halten.