BW 07-08/2021 – Branchen
Aufstieg für den Dancefloor
Dafür hat die Szene lange gekämpft: Clubs und Livespielstätten zählen nun offiziell als Orte der Kultur. Beste Voraussetzungen für den lang ersehnten Neustart
Was lange währt, wird endlich gut: Clubs sind offiziell Kultur. Es hat Jahre gedauert, doch am Ende hat sich der beharrliche Einsatz der LiveKomm, dem Bundesverband der Livespielstätten, gelohnt. So hat der Deutsche Bundestag jetzt beschlossen, die Baunutzungsverordnung der Bundesregierung so anzupassen, dass Clubs und Livespielstätten mit nachweisbarem kulturellem Bezug nicht mehr als Vergnügungsstätten, sondern als Anlagen für kulturelle Zwecke definiert werden. Eine wegweisende Entscheidung gerade für Berlin, dem Epizentrum der deutschen Clubszene: „Wir haben jahrelang auf dieses Ziel hingearbeitet. Mit der Gründung des Parlamentarischen Forums Clubkultur und Nachtleben ist uns der entscheidende Durchbruch gelungen“, sagt Pamela Schobeß, Vorstand der LiveKomm und Clubcommission Berlin sowie Mitglied der Vollversammlung in der IHK Berlin.
Schrill und individuell, wie die Stadt selbst: die Berliner Clubszene
© LUCA VINCENZO
Kulturelle Biotope
Das Forum wurde von Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen des Bundestages im Februar 2020 gegründet, um den Fortbestand der Clubkultur zu sichern und sie politisch zu unterstützen. Zuvor wurden Clubs und Livespielstätten im Rahmen der Baunutzungsverordnung gleichgestellt mit Spielhallen, Wettbüros, Sex-Kinos und Bordellen und als Vergnügungsstätten eingestuft. Mit der Einschränkung, dass sie aus stadtplanerischer Sicht ausschließlich in Misch- und Kerngebieten, in urbanen Gebieten nur ausnahmsweise und in Wohngebieten nicht zulässig sind. Ausgrenzung also statt Integration einer Branche, der Berlin viel zu verdanken hat: kulturell, touristisch und wirtschaftlich. Oder anders gesagt: Endlich wird eine Szene von der Politik so wahrgenommen, wie sie es eigentlich schon lange verdient hat, als ein kulturelles Biotop nämlich mit kreativwirtschaftlicher Ausrichtung: bunt, schrill und provokativ. Ein Ort der Freiheit, wo man sein kann, wie man will, ohne sich gesellschaftlichen Zwängen anpassen zu müssen.
Position bei Standortplanung gestärkt
Mit dem jetzt getroffenen Beschluss stehen Clubs und Livespielstätten mit einem nachweisbaren kulturellen Bezug auf einer Stufe mit Theatern, Opern, Museen und Konzerthäusern. Das bedeutet, dass die Position der Clubs bei der Planung neuer Gebiete in den Innenstädten und auch in ländlichen Gebieten gestärkt ist. Orte, die bei der Stadtplanung bisher der sogenannten Hochkultur vorbehalten waren, können so auch als Clubstandorte genutzt werden.
Auch im Rahmen der Stadtentwicklung hat sich die Situation von Clubs und Livespielstätten durch die Novellierung der Baunutzungsverordnung verbessert. Früher als Vergnügungsstätten nicht besonders schützenswert, mussten sie häufig der Bebauung weichen. Ohne Alternativen blieb, wenn überhaupt, nur der Rückzug an den Stadtrand übrig. Durch das kulturelle Upgrade sind diese Zeiten vorbei, denn ein etablierter Kulturort ist schwerer zu verdrängen als eine Vergnügungsstätte.
Für Clubbesitzerin Pamela Schobeß sind es endlich mal wieder gute Nachrichten für eine durch Corona wirtschaftlich stillgelegte Szene, die bei einem hoffentlich baldigen Neustart unter verbesserten Rahmenbedingungen öffnen kann: „Musikclubs sind kulturelle Einrichtungen, die als integraler Bestandteil des kulturellen Lebens die Identität von Stadtteilen prägen“, so Schobeß. „Nun ist ein veraltetes Gesetz an die Realität angepasst worden. Das hilft, Städte und Quartiere lebendig und lebenswert zu erhalten und kulturelle Orte vor Verdrängung zu schützen.“ Oder anders gesagt: Endlich geschafft!
von Jürgen Schepers