BW 04/2021 – Service
Mobilfunk zunehmend nach Maß
Die Berichterstattung über 5G hebt meist Superlative wie die hohe Datenrate hervor. In der Praxis erweist sich allerdings die kontinuierliche Weiterentwicklung des Mobilfunks als relevanter als einzelne Rekorde. Schon heute sind differenzierte Mobilfunkangebote verfügbar: von hohen Datenraten beim Internetzugang über die vierte Mobilfunkgeneration LTE bis zu NB-IoT zur Vernetzung von Sensoren und Maschinen. 5G ist eine schrittweise, evolutionäre Weiterentwicklung, die noch mal deutlich macht, wie Mobilfunk zur Verbesserung von Prozessen und Produkten bei Nutzern beitragen kann.
Funkübertragung hat Grenzen
Grundsätzliche Eigenschaften von Mobilfunk werden durch die Wahl des Frequenzbereichs festgelegt. Niedrige Frequenzen unterhalb von 1 GHz eignen sich für die Übertragung über größere Entfernungen und durchdringen Gebäude besser, sind allerdings in ihrer Kapazität beschränkt. 5G erschließt auch sehr hohe Frequenzen bei 26 GHz. Diese erlauben zwar Gigabit-Datenraten, sind aber in ihrer Reichweite stark eingeschränkt. Die Beschränkung kann bei den richtigen Anwendungsfeldern durchaus zum Vorteil werden, wenn etwa das Netz auf eine Fabrikhalle oder ein Gelände begrenzt werden kann.
Das Schaubild rechts zeigt das Spannungsverhältnis zwischen Bandbreite und Reichweite bei der Mobilfunktechnik, wobei konkrete Leistungsdaten sehr stark von Umgebung und Intensität der Nutzung abhängen. Entsprechend regionalem Bedarf und Gegebenheiten werden also verschiedene und koordiniert verwaltete Frequenzbereiche benötigt. Während sich anfänglich die Datenraten von LTE und 5G nicht unterscheiden, liegt der Schwerpunkt bei 5G auf der dynamischen Verwaltung der Frequenzblöcke, insbesondere im Parallelbetrieb mit LTE.
Bandbreite und Reichweite
5G wird in unterschiedlichen Frequenzbereichen eingesetzt. Je geringer die Frequenz, desto größer ist die Reichweite. Größere Frequenzen hingegen erlauben höhere Datenraten.
Mobilfunk als System
Mobilfunk ist weit mehr als Funkübertragung und umfasst den wirtschaftlichen Betrieb der komplexen Netzinfrastruktur. Technische Entwicklungen sehen Mobilfunkkunden daher oft nur indirekt durch preiswerte Angebote bei steigendem Leistungsumfang. Möglich wird das durch Automatisierung des Netzbetriebs inklusive einer möglichst flexiblen Verwendung von Ressourcen wie Frequenzblöcken oder Rechenkapazität.
Während LTE die vollständige Umstellung auf IP-Protokolle zum Ziel hatte, kann man die fünfte Mobilfunkgeneration unter dem Stichwort „Virtualisierung“ zusammenfassen. Das hat nicht nur die aus dem Betrieb von IT bekannten Vorteile für die Netzbetreiber, auch Geschäftskunden können neue Angebote gemacht werden: Neben der schon jetzt möglichen gezielten Weiterleitung von Daten zwischen Mobilgerät und IT-Infrastruktur eines Mobilfunkkunden (vergleichbar einem VPN) können 5G-Kunden ein „eigenes“, virtuelles Mobilfunknetz bekommen, das als getrennter Teil im Netz eines Mobilfunkbetreibers („Slice“) betrieben wird. Möglich wird zudem der Betrieb eines eigenständigen, lokalen Mobilfunknetzes (sogenannte Campusnetze), für das eine eigene Mobilfunkfrequenz vergeben wird. Unter den Campusnetz-Pionieren sind auch Messegesellschaften und Wirtschaftsförderer. Selbst wenn sich der Aufwand zunächst nur für große Organisationen lohnen mag, der Trend zeigt, dass Mobilfunk zur maßgeschneiderten Infrastruktur wird.
Flächendeckung und Spitzenleistung
Die Vielzahl unterschiedlicher Anwendungsfälle wird durch eine Reihe von aufeinander abgestimmten Funk- und Netzwerkmanagement- Techniken ermöglicht. Zukünftig kann die Mobilfunkinfrastruktur dynamisch an aktuelle Anforderungen angepasst und optimiert werden. Eine hohe Datenrate ist nur eine Anforderung von vielen, insbesondere eine verlässliche Verfügbarkeit ist gerade beim Einsatz von Mobilfunk bei Maschinen und einem flächendeckenden Angebot von Produkten wichtiger. Pressemeldungen zur Inbetriebnahme von 5G-Bestandteilen sind daher weniger relevant als Veröffentlichungen der Bundesnetzagentur zur Abdeckung mit LTE. Mit dem weiteren Ausbau von LTE und dem Verschwinden von „weißen Flecken“ werden jetzt neue Anwendungen und Produkte möglich sowie die Grundlage für die Weiterentwicklung des Mobilfunks zu 5G geschaffen.
von Jens Tiemann
Pro & Contra
Wie jede neue Technologie eröffnet 5G nicht nur enorme Chancen und großes Innovationspotenzial – sie bringt auch einige Risiken mit sich
Möglichkeiten
➜ 5G als Grundlage für maßgeschneiderte Kommunikation
➜ Leistungsfähige (private) Infrastruktur durch Kooperation mit Mobilfunkprovidern
➜ Mobilfunk als Basis für neue Anwendungen und Geschäftsmodelle
Wagnisse
➜ Überbetonung von hohen Datenraten
➜ Überforderung von Mobilfunknutzern
➜ Abhängigkeit von komplexer Technik