BW 04/2021 – Schwerpunkt | Interview
„Daten sind der Schlüssel“
Pfizer ist derzeit als Partner des Impfstoffherstellers BioNTech in aller Munde. Den Standort Deutschland steuert der US-Pharmakonzern von Berlin aus. Vor 13 Jahren war Peter Albiez mit dem Unternehmen von Karlsruhe an den Potsdamer Platz gezogen. Ehrgeizige Pläne hat er nicht nur für sein Unternehmen, sondern auch für den Gesundheitsstandort Berlin-Brandenburg.
<font color="#56BD66"> <b>Peter Albiez</b> </font>
<b>Vorsitzender der Geschäftsführung</b> <br>
Seine Karriere bei Pfizer startete der studierte Biologe Peter Albiez 1996 als Pharmaberater. Im März 2015 übernahm er den Vorsitz der Geschäftsführung von Pfizer Deutschland.
© AMIN AKHTAR
Berliner Wirtschaft: Sie sind seit 2019 der Sprecher des Clusters Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg. Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Engagement?
Peter Albiez: Wir haben die Ziele des Clusters im neuen Masterplan meines Erachtens sehr prägnant formuliert. Kurz gesagt: Wir wollen Berlin-Brandenburg zu einem internationalen Spitzenstandort für Life Sciences machen. Mein persönlicher Ehrgeiz und Anspruch ist es, als Cluster-Sprecher die Begeisterung für diese Aufgabe bei allen Beteiligten zu wecken, Kräfte zu mobilisieren und die Vernetzung voranzubringen. Mir sind zwei Aspekte besonders wichtig. Wir sollten hier am Standort aus dem immensen Wissen, das es in Forschungseinrichtungen und Unternehmen gibt, auch viele innovative Anwendungen entwickeln.
Und der zweite Aspekt?
Genauso wichtig ist mir, dass wir die Region zum Vorreiter für exzellente medizinische Versorgung machen und dabei auch die vielfältigen digitalen Möglichkeiten nutzen, damit Innovation tatsächlich bei den Menschen ankommt und zu einer besseren Gesundheit in Berlin und Brandenburg führt.
Welche Stärken hat Berlin als Standort für die Gesundheitswirtschaft?
Ich möchte nicht nur auf Berlin, sondern auf die Metropolregion schauen. Ich glaube, dass gerade im komplementären Zusammenspiel der Bundesländer Berlin und Brandenburg ein enormes Potenzial liegt, um die Gesundheit der Zukunft zu gestalten und die Medizin der Zukunft zu entwickeln. Die Stärke der Region liegt in der Vielfalt der Akteure. Das beginnt mit den Spitzenzentren der Forschung und Wissenschaft, beispielsweise dem Max-Delbrück-Centrum, aber auch vielen anderen Instituten. Dazu kommt die Charité. Wir haben Pharmaunternehmen, die Global Player sind oder aus dem Mittelstand kommen, und auch Medizintechnik.
Gibt es das nicht auch an anderen Standorten?
Ich kenne in Deutschland keine andere Region, in der so vielfältige Akteure so gut vernetzt sind. Außerdem ist Berlin-Brandenburg die am stärksten wachsende Gesundheitsregion, und sie hat das größte Potenzial. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir hier eine sehr gute Gesundheitsversorgung haben, was die Kliniken und Pflegeeinrichtungen betrifft. Hinzu kommen die Start-ups. Gerade für die digitale Medizin hat sich in Berlin eine sehr lebendige Start-up- Szene herausgebildet. Die enorme Dynamik sehen wir auch in der Biomedizin. Viele Biotechs in der Region entwickeln sich sehr gut.
Woran machen Sie das große Interesse an der Gesundheitswirtschaft hier am Standort fest?
Auf der politischen Seite hat die Weiterentwicklung der Gesundheitsstadt Berlin eine sehr hohe Priorität bekommen. Das lässt sich aus vielen Initiativen ablesen, die in den vergangenen Jahren gestartet wurden. Das Zukunftspotenzial der Gesundheitsstadt ist erkannt worden. Ich habe immer gehofft und auch darauf gesetzt, dass es in der Region zu dieser Entwicklung kommt. Mittlerweile muss ich aber sagen, dass meine hohen Erwartungen zum Teil sogar übertroffen wurden. In den Sektor ist wirklich Schwung gekommen.
Hat Berlin in dieser Hinsicht auch Schwächen?
Berlin hat die gleiche Schwäche, die wir auch in Deutschland und Europa insgesamt immer wieder beobachten: In der Translation – also der Übersetzung – von medizinischer Forschung in innovative Anwendungen sind wir nicht gut. Wir haben im letzten Jahr eine Studie mit einem Wiener Institut zu den Innovationsschwerpunkten in der Covid-19-Bekämpfung erstellt. Auch da zeigt sich: Wir haben eine exzellente Spitzenforschung, aber die Schwerpunkt- Cluster der Innovation liegen in China und den USA. Dem effizienteren Zusammenschluss von Wirtschaft und Wissenschaft müssen wir uns mit Hochdruck widmen.
Ist Ihr Kooperationspartner BioNTech, mit dem Sie den Impfstoff gegen das Sars-CoV-2-Virus auf den Markt gebracht haben, nicht ein Gegenbeispiel?
BioNTech ist ein wunderbares Beispiel, das zeigt, welche Innovationskraft und welches kreative Potenzial es in Deutschland gibt. Die Messenger-RNA-Technologie wird die Medizin möglicherweise revolutionieren. Allerdings hätte der Impfstoff das Licht der Welt so schnell nicht erblickt, wenn es das Zusammenspiel des jungen, kreativen Unternehmens BioNTech mit dem großen, erfahrenen Pharmakonzern Pfizer nicht gegeben hätte. Allein hätte BioNTech in so kurzer Zeit eine so große klinische Studie nicht durchführen können. In der transatlantischen Kooperation hat die Translation aber funktioniert.
Haben Sie die Kooperation mit BioNTech von Berlin aus betreut?
Diese Kooperation ist eine globale Partnerschaft. BioNTech mit Sitz in Mainz arbeitet direkt zusammen mit unserem Hauptsitz in New York.
Welche Rolle spielen generell Partnerschaften mit Start-ups für Pfizer?
Wir haben uns schon sehr früh mit der Start-up- Szene beschäftigt und 2014 in Berlin den Healthcare Hub gegründet. Das ist ein Experimentierraum, an dem wir gemeinsam mit Start-ups an innovativen Lösungen arbeiten. Wir haben darüber ein sehr gutes Verständnis für die Start-up-Szene entwickeln können und mittlerweile ein effizientes Innovations-Ökosystem aufgebaut. Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Innovationsmanagements. Wir haben übrigens mit einem dänischen Start-up auch schon ein Produkt auf den deutschen Markt gebracht – ein mobiles EKG.
Gibt es aus Ihrer Sicht – neben der Translation – weitere Rahmenbedingungen, die sich in Berlin ändern müssen, um mit der Life-Science-Branche in die internationale Spitze vorzustoßen?
Das zweite große Thema ist die Digitalisierung. Die digitale Infrastruktur ist in Deutschland nicht auf dem neuesten Stand. Wir müssen vor allem die Infrastruktur für Daten auf den Stand des 21. Jahrhunderts bringen – auch in Berlin. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingt. Aber wir brauchen Unterstützung von allen Akteuren, auch von der Politik, um bessere Rahmenbedingungen für Innovation zu bekommen. Das betrifft ebenso den Schutz des geistigen Eigentums sowie den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen.
Was erwarten Sie von der Politik?
Wir werden aus Wissen nur dann Wertschöpfung generieren können, wenn die Privatwirtschaft Zugang zu Gesundheitsdaten bekommt. Natürlich müssen dabei Persönlichkeitsschutz und Datenschutz gewährleistet sein. Aber das ist machbar, und wir müssen einen Schritt nach vorn gehen und Daten aus unterschiedlichsten Bereichen integrieren, um daraus Erkenntnisse und innovative Anwendungen zu entwickeln. Daten sind der Schlüssel in der medizinischen Forschung, um bahnbrechende Therapien gegen Krankheiten zu entwickeln, die wir heute noch nicht behandeln und heilen können.
Peter Albiez startete 1996 bei Pfizer als Pharmaberater und übernahm rasch Führungspositionen in Vertrieb und Marketing
© Christian Kielmann
Sie haben auch den Schutz des geistigen Eigentums und den freien Warenverkehr genannt. Ist beides aus Ihrer Sicht hier am Standort derzeit nicht gewährleistet?
Wir erleben im Zuge der Diskussionen um die Impfungen gegen Sars-CoV-2 immer wieder Forderungen nach Zwangslizenzen. Dabei wird verkannt, dass der Schutz des geistigen Eigentums die Voraussetzung für die Entwicklung innovativer Pharmaprodukte ist. Wir brauchen ein umfassenderes Verständnis für solche Zusammenhänge im Gesundheitssystem. Ebenso wichtig ist es, den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen über Ländergrenzen hinweg aufrechtzuerhalten. Denn die Produktion von innovativer Medizin hängt von einem resilienten internationalen Netzwerk ab. Exportbeschränkungen sind der falsche Weg.
von Michael Gneuss